Die Berliner Philharmoniker (frühere Bezeichnung Berliner Philharmonisches Orchester) sind ein Sinfonieorchester. Sie gelten als eines der weltweit führenden Ensembles.
Das seit 1882 bestehende Orchester ist seit 2002 als Stiftung des öffentlichen Rechts unter Trägerschaft des Landes Berlin organisiert. Die Berliner Philharmoniker verfügen derzeit über 128 Planstellen. Nachdem das alte Stammhaus 1944 während des Zweiten Weltkriegs zerstört wurde, ist seit 1963 die von Hans Scharoun konzipierte neue Berliner Philharmonie am Kemperplatz in Berlin-Tiergarten die Heimstätte des Ensembles.
Als Ahnvater der Berliner Philharmoniker kann der aus dem schlesischen Liegnitz stammende Dirigent Johann Ernst Benjamin Bilse (1816–1902) angesehen werden. Das ehemalige Mitglied der Kapelle von Johann Strauss (Vater) stellte 1867 ein Orchester zusammen, mit dem er im neuerbauten Concerthaus an der Leipziger Straße regelmäßig Konzerte gab. Die sogenannten „Bilsekonzerte“ waren bald äußerst populär. Zunehmend nahm Bilse aber auch sogenannte Ernste Musik ins Repertoire seines Ensembles auf. Ein prominenter Gastdirigent wurde Richard Wagner.
Anfang Januar 1882 gab die von Hans von Bülow geleitete Meininger Hofkapelle, seinerzeit das führende Orchester im deutschsprachigen Raum, ein Konzert in der Sing-Akademie zu Berlin. Dieser Auftritt wurde von der Presse stürmisch gefeiert. Die Berliner Zeitung schrieb: „Vielleicht gibt dieser Erfolg gewissen Kreisen Veranlassung, dem großen Dirigenten ein anderes Pult zuzuweisen wie in Meiningen. Wir brauchen uns wohl nicht erst deutlicher auszudrücken.“ Die Öffentlichkeit schloss sich der Forderung an, für die neue Reichshauptstadt Berlin einen repräsentativen Klangkörper unter der Leitung des überragenden Künstlers Hans von Bülow zu schaffen.
Ein paar Monate später kam es in der Bilse-Kapelle zur Revolte. Für eine Konzertfahrt nach Warschau hatte Bilse Fahrkarten der vierten Klasse besorgt, worüber die ansonsten schon unterbezahlten Musiker verärgert waren, und 54 unter ihnen beschlossen nun, ihr eigenes Orchester zu gründen, das sie selbst regieren und verwalten wollten. Sie verpflichteten sich zum „gegenseitigen unverbrüchlichen Zusammenhalten“ und zur persönlichen Haftung für die Ausgaben des Ensembles. Der 1. Mai 1882 war der Gründungstag des neuen Orchesters. Seit 1991 erinnern die Philharmoniker am 1. Mai mit dem Europakonzert an diesen Tag. Dieses findet jeweils an einem kulturgeschichtlich bedeutenden Ort in Europa statt und wird weltweit von Rundfunk- und Fernsehanstalten übertragen.
Die Namen der Chefdirigenten (chronologisch):
Die ersten Konzerte des neu gegründeten Orchesters fanden unter dem Namen „Frühere Bilsesche Kapelle“ in dem Charlottenburger Gartenlokal „Flora“ statt. Künstlerischer Leiter war Ludwig von Brenner. Gespielt wurde wie bei Bilse überwiegend Unterhaltungsmusik. Im Sommer 1882 übernahm der Konzertagent Hermann Wolff die Organisation des Orchesters, das von da an den Namen „Berliner Philharmonisches Orchester“ führte. Wolff fand für die Philharmoniker eine ehemalige Rollschuhbahn in der Bernburger Straße als festen Auftrittsort.
Im gleichen Jahr führte Wolff Abonnementskonzerte für ein gebildetes Publikum ein – die „Philharmonischen Konzerte“.
Sing-Akademie-Direktor Martin Blumner schrieb zur damaligen Qualität des neuen Orchesters: „Mit höchst erfreulichem Gelingen wirkte es bei uns zum ersten Male im Oktober desselben Jahres (1882) in meinem Oratorium ‚Der Fall Jerusalems‘ mit, einen so schönen reinen Wohlklang und so vortreffliche musikalische Sicherheit bekundend, wie wir es lange schmerzlich vermisst hatten“.
Einflussreiche Dirigenten der ersten Jahre waren Franz Wüllner, Karl Klindworth und der Geiger Joseph Joachim. Gastdirigenten dieser Zeit waren 1884 Johannes Brahms, 1888 Peter Tschaikowski und 1889 Edvard Grieg, die eigene Werke aufführten.
An mehreren Tagen in der Woche wurden außerdem weiterhin, unter der Leitung anderer Dirigenten, „populäre Konzerte“ veranstaltet, damit die Musiker ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten.
1887 schließlich engagierte Wolff als Chefdirigenten Hans von Bülow (1830–1894), der als Schüler von Friedrich Wieck, Franz Liszt und Richard Wagner auf internationalem Parkett sowohl als Dirigent als auch als Pianist anerkannt war. Als Hofkapellmeister hatte er in den Jahren 1880 bis 1887 die Meininger Hofkapelle zu einem Spitzenorchester geformt, das Tourneen durch ganz Deutschland veranstaltete. „Bülow war Bahnbrecher im Hinblick auf einen Wandel der Funktion des Dirigenten. War dieser früher in erster Linie Taktschläger im Sinne einer Orientierungshilfe für die Orchestermusiker gewesen, so trat er nun als Interpret zum Vorschein. Dessen Aufgabe bestand nach Bülow nunmehr darin, ‚das Verborgene an das Tageslicht [zu] befördern.‘“ Bülow führte bei den Berliner Philharmonikern eine eiserne Disziplin ein. In stundenlangen und harten Proben formte er während seiner Amtszeit das Ensemble zum Eliteorchester Deutschlands. „Bülow verlangte von sich und den ihm Anvertrauten höchste Konzentration, heiligen Ernst für eine heilige Aufgabe, Aufmerksamkeit für jede Note wie für das Ganze…“.
Bülow setzte durch, dass während seiner Konzerte keine Speisen und Getränke mehr serviert und verzehrt werden durften. Auch Gespräche hatten zu unterbleiben, und es herrschte Rauchverbot. Berühmt, mitunter auch berüchtigt, waren auch die Ansprachen Bülows an das Publikum, bei denen er nicht nur die dargebotenen Werke kommentierte, sondern zuweilen auch die Tages- und Kulturpolitik. „Mitunter waren seine Hinwendungen zum Publikum auch nonverbaler Art. Sie galten etwa fächerschwingenden Damen, die er so lange anzustarren pflegte, bis sie die Arme sinken ließen.“
Der „Berliner Courier“ schrieb am 15. Januar 1888 über eines der Konzerte Bülows: „Wie er dasteht, das scharfe Profil seitwärts gewendet, den Klemmer auf der Nase, wie er vom ersten Moment an den Tactstock in sichern, festen Zügen führt […] als wäre es ein Zauberstab in seiner Hand […] er hebt den Spieler zu sich empor, entlockt ihm den Ton, den er haben will. […] Wie dieser einzige Dirigent das Orchester an seinem Zauberstab führt […], das lässt sich nur schwer beschreiben …“.
1888 wurde die ehemalige Rollschuhbahn zur Philharmonie umgebaut als bestuhlter Konzertsaal ohne Tische.
Bülow leitete das Orchester bis 1893. Es folgten zwei Jahre ohne Chefdirigenten, bis Arthur Nikisch das Amt übernahm. Die meisten Konzerte in der Zwischenzeit leitete Richard Strauss.
Seit den 1970er Jahren wird von den Berliner Philharmonikern die Hans-von-Bülow-Medaille vergeben. Damit ehrt das Orchester sowohl seinen ersten Chefdirigenten Hans von Bülow, wie auch Musiker – insbesondere Dirigenten – für ihre Verbundenheit mit dem Orchester. Die Medaille wurde bisher unter anderem vergeben an: Eugen Jochum, Herbert von Karajan, Bernard Haitink, Günter Wand, Nikolaus Harnoncourt, Hans Werner Henze, Claudio Abbado, Wolfgang Sawallisch, Georg Solti, Alfred Brendel, Claudio Arrau, Zubin Mehta, Daniel Barenboim, Seiji Ozawa, Lorin Maazel, Lovro von Matačić, Mariss Jansons, Erich Hartmann, Vicco von Bülow (Loriot), Rudolf Serkin, Yehudi Menuhin, Dietrich Fischer-Dieskau, Wolfgang Stresemann, Hans Heinz Stuckenschmidt.
1895 wurde der gebürtige Ungar Arthur Nikisch (1855–1922) zum Chefdirigenten „auf Lebenszeit“ berufen. Er hatte dieses Amt 27 Jahre lang inne.
Nikisch führte die Philharmoniker zu europaweitem Ruhm. Gastspielreisen führten die Philharmoniker nach Russland, in die Schweiz, Belgien, Frankreich, Italien, Spanien und Portugal. Internationale Stars wie Pablo de Sarasate, Eugène Ysaÿe, Fritz Kreisler, Pau Casals und das elfjährige Wunderkind Jascha Heifetz gastierten mit den Philharmonikern.
1913 nahmen die Philharmoniker für die Deutsche Grammophon erstmals in der Geschichte der Schallplatte eine vollständige Sinfonie auf; Beethovens Fünfte wurde unter Nikischs Leitung eingespielt und auf vier Schellackplatten gepresst.
Nach Nikischs Tod im Jahre 1922 wurde Wilhelm Furtwängler (1886–1954), bis dahin Leiter der Staatsoper Unter den Linden, als neuer Chefdirigent engagiert. Unter Furtwängler, einer der führenden Dirigentenpersönlichkeiten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, erlangten die Berliner Philharmoniker Weltgeltung. Zahlreiche Werke namhafter Komponisten wie Rachmaninow, Prokofjew, Strawinsky, Ravel wurden durch das Orchester uraufgeführt. Einen Höhepunkt während der 1920er Jahre bildete 1929 der Auftritt des Wunderkindes Yehudi Menuhin mit den Philharmonikern unter Bruno Walters Leitung, bei dem der Zwölfjährige Violinkonzerte von Bach (E-Dur), Beethoven und Brahms spielte.
Furtwängler fühlte sich in erster Linie der Wiener Klassik und Spätromantik verbunden und ist in die Musikgeschichte als der große Deuter des deutschen Musikerbes eingegangen. Interpretation begriff er dabei als einen Akt musikalischer Neuschöpfung. 1934 schrieb er dazu in einem Aufsatz: „Man stelle sich die Situation des Schaffenden vor: Sein Ausgangspunkt ist das Nichts, sozusagen das Chaos; sein Ende das gestaltete Werk. Der Weg dahin, also … das ‚Gestaltwerden‘ des Chaos, vollzieht sich ihm im Akt der Improvisation.“ Dies manifestierte sich auch in Furtwänglers suggestiver Zeichengebung. „Auf diese Weise trat die Musik in ihrer ursprünglichen Voraussetzungslosigkeit in Erscheinung; altbekannte Symphonien wurden völlig neu erlebt.“ Werner Thärichen, Paukist der Philharmoniker, beschrieb das Phänomen Furtwängler folgendermaßen: „… daß ein Mensch das Orchester und alle Zuhörer in einen solchen Rausch versetzen konnte, war überhaupt nicht zu fassen. In London sprangen die Besucher noch während des Konzertes von den Sitzen: Sie waren außer sich, benommen, elektrisiert.“
Als in den frühen 1930er Jahren die wirtschaftliche Rezession das Orchester in seiner Existenz bedrohte, übernahmen 1932 die Stadt Berlin, das Deutsche Reich und der Rundfunk die finanziellen Garantien. Im Gegenzug dafür mussten sich die Philharmoniker verpflichten, Volks-Symphoniekonzerte und Schulkonzerte zu geben.
Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 übernahm das Reich die finanzielle Sicherung des Orchesters. Zum ersten Mal waren die Philharmoniker kein Lohnorchester mehr, sondern wurden staatlich subventioniert und konnten somit auf die lästigen „Populären Konzerte“ verzichten. Als solchermaßen deutsches Vorzeigeorchester konnten sie – und mit ihnen Furtwängler – als Repräsentanten des NS-Staats betrachtet werden.
1934 führte Furtwängler mit den Philharmonikern Musik des verbotenen Mendelssohn auf, dirigierte außerdem die Uraufführung von Paul Hindemiths Sinfonie Mathis der Maler und verteidigte öffentlich den als „entartet“ geltenden Komponisten Hindemith. Im Zuge des daraus resultierenden Skandals wurde er im selben Jahr genötigt, von sämtlichen Ämtern zurückzutreten. Er dirigierte die Philharmoniker künftig nur noch als Gastdirigent. Von 1934 bis 1952 hatte das Orchester formell keinen Chefdirigenten. Noch 1935 führten die Philharmoniker Mendelssohns Violinkonzert mit dem Virtuosen Georg Kulenkampff unter der Leitung von Max Fiedler auf.
Nachdem sich 1935 die Konzertagentur Wolff selbst aufgelöst hatte, um einer drohenden „Arisierung“ zuvorzukommen, wurde die Stelle eines Intendanten geschaffen. Der erste war Hans von Benda. Sein Nachfolger wurde 1939 Gerhart von Westerman, der mit einer Unterbrechung zwischen 1945 und 1952 diese Stellung bis 1959 innehatte.
Das letzte Konzert der Philharmoniker vor Kriegsende fand am 16. April 1945 im Beethovensaal statt, das erste nach dem Krieg bereits am 26. Mai 1945 im Steglitzer Titania-Palast, einem umgebauten Kino. Dirigiert wurde es von dem gebürtigen Russen Leo Borchard (1899–1945), da Furtwängler von der amerikanischen Besatzungsmacht als politisch belastet eingestuft worden war und, obwohl niemals Parteimitglied, bis zum Abschluss eines Entnazifizierungsverfahrens Auftrittsverbot hatte. Borchard wurde jedoch am 23. August 1945 irrtümlich von einem amerikanischen Besatzungssoldaten an der britisch-amerikanischen Sektorengrenze erschossen. Sein Nachfolger als leitender Dirigent der Philharmoniker war der seinerzeit noch völlig unbekannte Sergiu Celibidache. Bereits am 29. August 1945 feierte er, bis dahin ohne Dirigiererfahrung und erarbeitetes Repertoire, einen Debüterfolg.
Im Frühjahr 1947 stand Furtwängler, nachdem sein Auftrittsverbot aufgehoben worden war, wieder am Pult der Philharmoniker. Am 30. September 1947 trat Yehudi Menuhin demonstrativ an der Seite des Anfeindungen ausgesetzten Furtwängler im Titania-Palast auf und spielte mit den Philharmonikern Beethovens Violinkonzert. Furtwängler und Celibidache waren während der folgenden Jahre gemeinsam künstlerische Leiter des Orchesters. 1948 reiste das Orchester auf seiner ersten Auslandstournee nach dem Krieg mit Furtwängler und Celibidache nach England.
1952 wurden die Philharmoniker vom Land Berlin übernommen und Furtwängler erhielt einen Vertrag als Chefdirigent auf Lebenszeit.
Von 1945 bis zu Wilhelm Furtwänglers Rückkehr 1952 leitete Sergiu Celibidache ad interim die Berliner Philharmoniker. Celibidache war, im Gegensatz zu Furtwängler und vor allem Herbert von Karajan, extrem „technikfeindlich“, was sich unter anderem darin ausdrückte, dass er Schallplattenaufnahmen grundsätzlich ablehnte. Eine seiner bevorzugten Solistinnen war die kroatische Pianistin Branka Musulin.
Nach Furtwänglers Tod im November 1954 wurde Herbert von Karajan (1908–1989) zum Chefdirigenten gewählt. Er leitete das Orchester 34 Jahre, länger als jeder andere. In Karajans Amtszeit wurde 1963 die neu errichtete Philharmonie, erbaut von Hans Scharoun, eröffnet.
„War Furtwängler die Dirigentenpersönlichkeit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts schlechthin, so war Karajan zweifelsohne der große Dirigent der zweiten Hälfte.“ War Furtwängler der Intuition verpflichteter Philosoph am Dirigentenpult, so war Karajan Klangmagier, ein ekstatischer Macher von eiserner Selbstdisziplin. Karajans Auftakte waren exakt, doch dafür verzichtete er darauf, Einsätze zu geben, um auf diese Weise die Musiker dazu zu zwingen, optimal aufeinander zu hören. Meist dirigierte er mit geschlossenen Augen. „Der berühmte volle und seidene Klang der Berliner Philharmoniker, der zu ihrem Markenzeichen wurde, hat sich unter seiner Leitung erst in seiner ganzen Pracht entfaltet.“
Karajan war stark von der Technik fasziniert. Sein Orchester betrachtete er als Perfektionsinstrument, das er immer mehr vervollkommnen wollte. Unter seiner Leitung entstanden zahlreiche Schallplatteneinspielungen vor allem aus dem Repertoire der Wiener Klassik und Romantik. Darunter befand sich die 1961/62 produzierte Gesamtaufnahme der Beethoven-Sinfonien, welche die weltweit erste Orchesterproduktion auf Stereoschallplatte war. Der Technikfaszination Karajans war es zu verdanken, dass die Philharmoniker mit zu den ersten gehörten, die ab 1980 das digitale Aufnahmeverfahren testeten. 1982 wurde von ihrer Aufnahme der Alpensinfonie von Richard Strauss eine weltweit ersten Audio-CDs hergestellt. Im gleichen Jahr, zum 100-jährigen Bestehen der Berliner Philharmoniker, erschienen unter seiner Leitung 100 Meisterwerke, mit weltbekannten Solisten und Konzertsängern und -sängerinnen, auf 50 Schallplatten bei der Deutsche Grammophon unter dem Namen Serie Galerie. Beigegeben wurden dieser Serie als Plattencover und Bildbeilagen bis zu jener Zeit unveröffentlichter Bilder, gemalt von seiner Frau, Eliette von Karajan.
Herbert von Karajan gründete 1967 die Salzburger Osterfestspiele, wo die Berliner Philharmoniker bis 2012 als Opernorchester zu erleben waren. Unter anderem wurden in Salzburg Wagners gesamter Ring des Nibelungen, Beethovens Fidelio und zahlreiche populäre Opern Verdis und Puccinis erarbeitet und als Tondokumente aufgezeichnet. Außerdem rief er 1973 die Salzburger Pfingstkonzerte ins Leben.
Namhafter Intendant der Philharmoniker in der Ära Karajan war von 1959 bis 1978 sowie von 1984 bis 1986 Wolfgang Stresemann. Er verfasste auch einige Bücher über die Philharmoniker und Karajan. Wegen gesundheitlicher Probleme und Differenzen mit dem Orchester und Berliner Politikern erklärte Karajan im April 1989 seinen Rücktritt; er starb am 16. Juli desselben Jahres an einem Herzinfarkt.
Karajans Nachfolger wurde Claudio Abbado (1933–2014), der das Orchester bereits 1966 zum ersten Mal dirigiert hatte. Abbado setzte neue Akzente. Jede Spielzeit war einem bestimmten Thema gewidmet: der Lyrik Hölderlins, Goethes Faust, der griechischen Antike, Shakespeare, Alban Berg und Georg Büchner, Der Wanderer, Tristan und Isolde – Der Mythos von Liebe und Tod und Musik ist Spaß auf Erden. Seine letzte Spielzeit stand unter dem Motto: „Zum Raum wird hier die Zeit – Parsifal-Zyklus“.
Während Abbados Amtszeit wurde das Orchester deutlich verjüngt; mehr als die Hälfte der Musiker der heutigen Besetzung wurden in dieser Zeit neu aufgenommen. Im Februar 1998 erklärte Abbado, seinen bis 2002 laufenden Vertrag nicht verlängern zu wollen.
Im Juni 1999 wählte das Berliner Philharmonische Orchester den Briten Simon Rattle (* 1955) zu seinem Chefdirigenten. Rattle kann als eine der charismatischsten Dirigentenpersönlichkeiten der Gegenwart angesehen werden. Er hatte die Philharmoniker erstmals 1987 dirigiert.
Mit Rattles Amtsantritt im Jahre 2002 wurde das Orchester neu organisiert, das bis dahin eine Art Doppelleben geführt hatte. Es gab einerseits das Berliner Philharmonische Orchester im Status einer nachgeordneten Behörde, die dem Kultursenator unterstellt war. Daneben existierten andererseits die Berliner Philharmoniker als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die vor allem Schallplattenaufnahmen machte und damit zusätzliche Einkünfte erzielte, die den Musikern, nicht jedoch der Stadt Berlin zugutekamen. Beide Organisationen wurden aufgelöst und in die öffentlich-rechtliche Stiftung Berliner Philharmoniker überführt, die vor allem durch die Deutsche Bank als Hauptsponsor unterstützt wird. Diese Neuorganisation war u. a. eine Bedingung Rattles für seinen Amtsantritt gewesen.
Von September 2010 bis Sommer 2017 war Martin Hoffmann Intendant der Berliner Philharmoniker. Zur Spielzeit 2017/18 übernahm Andrea Zietzschmann den Posten der Intendantin. Die Osterfestspiele des Orchesters finden seit 2013 in Baden-Baden statt.
Zur Wahl des Nachfolgers von Simon Rattle fand am 11. Mai 2015 ein „Konklave“ des Orchesters statt, das elf Stunden dauerte, aber nach ausführlichen Beratungen und mehreren Wahlgängen zu keinem Ergebnis kam. Am 22. Juni 2015 wurde in einer Pressekonferenz bekannt gegeben, dass Kirill Petrenko, der bis 2020 noch an der Bayerischen Staatsoper unter Vertrag steht, zum Nachfolger von Simon Rattle gewählt wurde. Nach seinem ersten Konzert am 23. August 2019 dirigierte er einen Tag später vor dem Brandenburger Tor die 9. Sinfonie von Beethoven.
Seit der Ära Karajan nutzen die Berliner Philharmoniker stets die aktuellen Möglichkeiten der Tontechnik aus.
Mit der Digital Concert Hall stellt das Orchester seit 2008 ganze Konzerte in Live-Mitschnitten online zur Verfügung. Dabei sind seit Juli 2014 nicht nur aktuelle, sondern auch aufbereitete historische Aufnahmen, z. B. solche aus der Karajan- und Abbado-Ära, abrufbar. Das Angebot ist kostenpflichtig.
2014 gründete das Orchester sein eigenes Label Berliner Philharmoniker Recordings.
Die Aufnahmen des Orchesters haben zahlreiche Preise gewonnen, darunter die folgenden:
Silberne Schallplatte
Goldene Schallplatte
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Anmerkung: Auszeichnungen in Ländern aus den Charttabellen bzw. Chartboxen sind in ebendiesen zu finden.
Viele Musiker der Berliner Philharmoniker kümmern sich im Rahmen der Karajan-Akademie um den Orchesternachwuchs.
Aus den Reihen der Berliner Philharmoniker sind einige kammermusikalische Ensembles hervorgegangen wie zum Beispiel Die 12 Cellisten, das Philharmonia Quartett Berlin, das Philharmonisches Bläserquintett Berlin oder das Scharoun Ensemble in klassischer Oktettformation (Klarinette, Fagott, Horn, zwei Violinen, Viola, Violoncello und Kontrabass).
Eine Besonderheit ist seit vielen Jahren das Abschlusskonzert jeder Saison. Es findet unter freiem Himmel vor etwa 20.000 Zuhörern in der Berliner Waldbühne statt, wird im Fernsehen übertragen und endet jeweils mit Linckes Berliner Luft (aus Frau Luna).
Seit der Spielzeit 2010/11 werden Konzerte der Berliner Philharmoniker regelmäßig in Kinos in Deutschland und im europäischen Ausland live übertragen.
Loriot alias Vicco von Bülow, der dem Orchester über seinen entfernten Verwandten Hans von Bülow, dem ersten Chefdirigenten, verbunden war, „dirigierte“ die Berliner Philharmoniker bei zwei Gelegenheiten: 1979 anlässlich des Kanzlerfestes sowie 1982 beim humoristischen Festkonzert zum 100. Geburtstag des Orchesters. Für das Scharoun-Ensemble, ein Kammermusik-Ensemble der Berliner Philharmoniker, schuf er ferner seine Erzählfassung von Saint-Saëns’ Karneval der Tiere.