Grace Beverly Jones, Pseudonym Grace Mendoza (* 19. Mai 1948 in Spanish Town bei Kingston) ist eine jamaikanische Sängerin, Schauspielerin und Performancekünstlerin.
Als ehemaliges Model ist sie bekannt für ihre extravagante Kleidung und ausgefallenen Auftritte, z. B. in Männerkleidung oder in Gorilla-Kostümen. Ihr gestyltes, androgynes und betont unterkühltes Image ist bedeutender Bestandteil ihrer Auftritte.
Der Vater von Grace Jones, Robert Winston Jones (1924–2008), stammte aus einer Familie, aus der jamaikanische Politiker und Verwaltungskräfte hervorgingen. Die Mutter, Marjorie Walters (1930–2017), stammte aus einer tiefreligiösen Familie. Die Eltern zogen Mitte der 1950er Jahre in die USA, wo der Vater als Prediger arbeitete und 1956 die Apostolic Church of Jesus Christ in Syracuse im Bundesstaat New York gründete. Grace Jones und ihre vier Geschwister blieben in Jamaika bei der Großmutter mütterlicherseits und ihrem zweiten, 20 Jahre jüngeren Ehemann Peart, von den Kindern nur Mas. P. genannt. In ihrer Autobiografie I’ll Never Write My Memoirs (New York, 2015) sowie in dem 2017 gedrehten Dokumentarfilm Grace Jones: Bloodlight and Bami erzählt Jones von der strengen religiösen Erziehung sowie Schlägen und Misshandlungen, die sie und ihre Geschwister durch den Mann ihrer Großmutter erleiden mussten.
In der ersten Hälfte der 1960er Jahre holten die Eltern die Kinder nach Amerika. Dort wurde ein weiteres Kind geboren. Jones besuchte das Onandaga Community College in Syracuse. Sie trat in die Theater-Klasse ein und ging mit ihrem Lehrer und der neu gegründeten Gruppe The Ruskin Players auf Tournee. In Philadelphia angekommen, kehrte sie nicht mehr ins Elternhaus zurück. Um nicht erkannt zu werden, arbeitete sie unter dem Künstlernamen „Grace Mendoza“ als Go-go-Tänzerin in Nachtclubs und bewarb sich um kleinere Model-Jobs. Ein erstes Vorsingen bei den Musikproduzenten Kenny Gamble und Leon Huff in Philadelphia scheiterte aufgrund ihrer Nervosität. Nach einem Aufenthalt in New York, wo sie bei der Modelagentur Black Beauty unter Vertrag stand, wechselte sie zu der 1967 gegründeten Agentur Wilhelmina Models und freundete sich u. a. mit dem Modezeichner Antonio Lopez an.
In der ersten Hälfte der 1970er Jahre wechselte Jones nach Paris und arbeitete mit Jerry Hall und Jessica Lange für die Agentur Euro Planning (später Prestige). Größere Aufträge folgten: Jones wurde von Helmut Newton fotografiert und erschien zum ersten Mal auf einer Titelseite des französischen Jugendmagazins 20 Ans. Später folgten Titelseiten für Vogue und Elle. In dieser Zeit erhielt sie ihren ersten Plattenvertrag und nahm Gesangsstunden. Ihren ersten Auftritt als Sängerin hatte sie 1976 während einer Tournee mit Issey Miyake durch Japan. Zum Ende der Show Issey Miyake and Twelve Black Girls präsentierte sie in einem Hochzeitskleid den Song I Need a Man, der ihre erste von Tom Moulton produzierte Single wurde. Bis 1979 veröffentlichte sie die Alben Portfolio (1977), Fame (1978) und Muse (1979), die von der Disco-Mode geprägt waren. Die Albumcover wurden von Richard F. Bernstein gestaltet.
Zu ihrem 30. Geburtstag gab sie ein Konzert im Studio 54, wo sie regelmäßig zu Gast war. Sie pendelte zwischen Paris und New York und gab Konzerte in der Pariser Diskothek Le Palace und in der New Yorker Paradise Garage. Von den Disco-Alben blieb vor allem die lange Coverversion von Édith Piafs La vie en rose (1977) in Erinnerung, in der sich Jones einer radikalen Wandlung unterzog. In Deutschland verklagten 1978 Alice Schwarzer, Inge Meysel und weitere prominente Frauen die Zeitschrift Stern aufgrund entwürdigender Frauendarstellungen im Rahmen der sogenannten Sexismus-Klage. Auslöser war u. a. ein Titelbild des Magazins von Helmut Newton, das Jones unbekleidet in Fußketten gelegt darstellte.
Nach der Veröffentlichung von Muse verspürte Grace Jones das Bedürfnis nach einer Veränderung: „Disco war ein Unfall, innerhalb von ein paar Jahren hatte ich meine drei Disco-Alben veröffentlicht, produziert von Tom Moulton. Sie wurden mehr seine Vision als meine… Ich wurde zur Dekoration, und das langweilte mich.“ Mit Chris Blackwell, dem Gründer von Island Records, stellte sie eine Gruppe von Studiomusikern zusammen, die Compass Point All Stars, die aus Sly Dunbar, Robbie Shakespeare, Barry Reynolds, Wally Badarou und Alex Sadkin bestanden.
In dieser Kombination entstanden die drei folgenden Alben: Warm Leatherette (1980), Nightclubbing (1981) und Living My Life (1982). Die Musik bestand aus einem Stilmix von Reggae, New Wave und elektronischen Elementen und bezog sowohl afrikanische, jamaikanische als auch europäische Einflüsse ein. Jones entwickelte einen kühl wirkenden Sprechgesang und war an den Produktionen beteiligt. Aufgenommen wurden die Alben in den Compass Point Studios in Nassau auf den Bahamas. Sie enthielten Coverversionen von Nightclubbing, ursprünglich gesungen von Iggy Pop (geschrieben von Pop und David Bowie), Love Is the Drug von Roxy Music, Private Life von den Pretenders, Walking in the Rain von Flash and the Pan, Warm Leatherette von The Normal und She’s Lost Control von Joy Division. Optisch wurde der Imagewandel von dem französischen Illustrator Jean-Paul Goude umgesetzt, den Jones Ende der 1970er Jahre kennenlernte.
Ihre Konzerte eröffnete sie, in Anlehnung an Marlene Dietrichs Auftritt in Blonde Venus, in einem Gorillakostüm, in dem sie trommelnd eine Treppe auf der Bühne bestieg und, auf dem Plateau angekommen, aus der Verkleidung stieg. Begleitet wurde sie von männlichen, sich roboterhaft bewegenden Komparsen, die Grace-Jones-Masken trugen und in die gleichen Armanianzüge wie die Sängerin gekleidet waren, so dass der Betrachter diese auf der Bühne nicht mehr identifizieren konnte. Die Bühnenausstattung und die wechselnden Kostüme waren durch den Minimalismus und Kubismus beeinflusst, enthielten Elemente des Musiktheaters, des Absurden und des Happenings. Über weite Strecken der Show wurden die Scheinwerfer auf das Publikum gerichtet.
Zu Pull Up to the Bumper lief Jones über einen Laufsteg in die Zuschauer, zog einzelne Personen auf die Bühne und deutete eine Penetration an, in der sie die männliche Rolle einnahm. Zu Living My Life trug sie einen Rock, der an die Kostümentwürfe Oskar Schlemmers erinnerte, und führte einen Revolver an die Schläfe. Nach Auslösen des Schusses setzte die Musik ein. Jones fiel zu Boden und sang im Liegen: „You hate me for living my life, you kill me“. Zitat Jones: „Als wir es zuerst aufführten, klatschten die Leute nicht. Sie verstanden nicht, was vor sich ging. Und dann klappten ihre Kiefer nach unten. Es war ein leichter Schockzustand. Da war nicht Grace Jones auf der Bühne, es war Grace Jones, die Grace Jones spielte, mit Hilfe von anderen, die Grace Jones spielten. Unmittelbar während der Show dachte ich, es wäre ein kompletter Flop, außer dass niemand das Theater verließ. Sie blieben. Sie schauten …“ Die One Man Show erschien 1982 als 45-minütiges Video und erhielt eine Grammy-Nominierung.
Mit Goude hatte Grace Jones eine mehrjährige Beziehung, aus der der 1979 geborene Sohn Paulo hervorging. Das Kulturmagazin Aspekte widmete der Sängerin 1981 einen Beitrag zum Erscheinen des Albums Nightclubbing und zeigte einen Ausschnitt aus der One Man Show, in dem Jones I’ve Seen That Face Before (Libertango) von Astor Piazzolla sang. Nightclubbing wurde von der englischen Musikzeitschrift New Musical Express zum Album des Jahres 1981 gewählt. Duncan Fallowell veröffentlichte im Mai 1981 in Sounds eine Titelgeschichte über Jones, Pop der polymorphen Perversionen. Anfang 1982 veröffentlichte Diedrich Diederichsen den Artikel Sexualität und Wahrheit über Jones im gleichen Magazin. Ein weiterer Artikel erschien in der Zeitschrift twen. 1982 veröffentlichte Goude das Buch Jungle Fever, in dem er das Konzept und die Entwürfe zur One Man Show darlegte.
Anmerkung: Auszeichnungen in Ländern aus den Charttabellen bzw. Chartboxen sind in ebendiesen zu finden.
Im September 2017 hatte der von Sophie Fiennes gedrehte Dokumentarfilm Grace Jones: Bloodlight and Bami auf dem Toronto Film Festival Premiere. In den deutschen Kinos ist er seit dem 25. Januar 2018 zu sehen. Er wurde am 9. März 2018 auf DVD/Blu-ray veröffentlicht. Der Filmtitel leitet sich aus dem jamaikanischen Slang für das rote Licht in Aufnahmestudios (Bloodlight) sowie der Bezeichnung einer Art Fladenbrot (Bami) ab.