John Barry OBE (* 3. November 1933 in York, England als John Barry Prendergast; selten benutztes Pseudonym Michael Angelo; † 30. Januar 2011 in Glen Cove, NY, USA) war einer der erfolgreichsten britischen Filmkomponisten und Arrangeure des 20. Jahrhunderts und Träger zahlreicher Filmpreise, darunter fünf Oscars (zwei für Frei geboren – Königin der Wildnis, je einen für Der Löwe im Winter, Jenseits von Afrika und Der mit dem Wolf tanzt). Besondere Popularität erlangten seine Kompositionen für die James-Bond-Filmreihe.
John Barrys Mutter, Doris Prendergast (geborene Wilkinson), war Pianistin. Seinem Vater, Jack Xavier Prendergast (Übername: JX), gehörten acht Kinos im Norden Englands. Sein Bruder Patrick kam im Jahr 1923 zur Welt, seine Schwester June 1928.
1959 heirateten John Barry und Barbara Pickard, die Scheidung erfolgte 1963. Von 1965 bis 1968 war er mit Jane Birkin verheiratet, mit Jane Sidey von 1969 bis 1978. Seit dem 3. Januar 1978 war er mit Laurie Barry verheiratet. John Barry hatte vier Kinder: Susan (mit Barbara Pickard), Sian (mit Ulla Larsson), Kate Barry (1967–2013; mit Jane Birkin) und Jonpatrick (geb. 1994; mit Laurie Barry).
Barry war Schüler der Bar Convent Catholic Junior School im Zentrum Yorks. Die dort herrschende Disziplin und Ordnung waren ihm rasch verhasst und blieben zugleich ein Leben lang prägend. Einschneidende Erlebnisse bildeten die Bombenangriffe der deutschen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg, als er Tod und Zerstörung hautnah miterleben musste.
Als Elfjähriger trat Barry in eine höhere, von Protestanten geführte Privatschule über (St. Peter’s public school in York). Dort nahm er Klavierunterricht. Seine musikalische Neigung entdeckte er schon früher und der Wunsch, Musiker zu werden, wuchs mit den Jahren. Da sein Vater eine Kinokette betrieb, war es für den Jungen selbstverständlich, sich die gerade laufenden Filme immer wieder anzusehen. Auch später wertete Barry diese Erfahrung, Filme vor zahlendem Publikum zu sehen, als eigentlich die beste Schulung eines Filmkomponisten. Bei Francis Jackson, dem Master of Music der Yorker Kathedrale, genoss er als Teenager eine musikalische Ausbildung.
Nach dem Ende des Kriegs wurde Barry vom Jazz-Fieber gepackt. Sein Bruder Patrick hatte ihn mit dieser Musik bekannt gemacht. Barrys bislang klassisch geprägter Musik-Horizont erfuhr dadurch eine Erweiterung hin zur Unterhaltungsmusik.
Bei George Swift nahm er Anfang der 1950er Jahre Trompetenunterricht und begann, die ersten kleineren Stücke zu komponieren. Zu der Zeit studierte Barry auf dem Korrespondenzweg die Kompositionstechnik nach dem rigorosen Schillinger-System (siehe auch: Joseph Schillinger, sowie Weblink), das von den Arrangeuren in der Stan-Kenton-Band ebenso angewendet wurde und auf strikten mathematischen Berechnungen beruht. Barry bewunderte die Musik von Stan Kenton sehr.
Wie damals jeder wehrfähige Brite wurde John Barry in die Armee einberufen. Ab 1952 verbrachte er so drei Jahre im Militärdienst als Mitglied einer Armee-Band. Nach wenigen Wochen in Richmond wurde er nach Ägypten verlegt, wo die Sueskrise in die heiße Phase trat. Später verlegte man seine Einheit nach Zypern, wo die politische Situation ebenfalls angespannt war.
Während seiner Dienstzeit hatte Barry die Gelegenheit, dank seiner Einteilung in einer Armee-Band, sein musikalisches Können täglich zu erproben und zu verbessern. Zudem absolvierte er von Zypern aus wiederum auf dem Korrespondenzweg einen Fernkurs. Diesmal bei Bill Russo, der als eigentlicher Tüftler des Stan-Kenton-Sounds galt. Dadurch erwarb sich Barry Kenntnisse im Arrangement für Big Bands.
Nach der Armee gründete Barry im Jahr 1957 die Rock ’n’ Roll- und Jazzband „The John Barry Seven“, mit der er in England sehr erfolgreich wurde. Zu den Band-Mitgliedern gehörten neben Barry Les Reed, Vic Flick, Mike Peters, Jimmy Stead, Dennis King und Doug Wright. Zunächst versuchte sich Barry als Lead-Sänger, doch wegen seiner stimmlichen Grenzen verlegte man sich rasch auf das Spielen von Instrumentalstücken. Als John Barry And The Seven entstand am 4. Oktober 1957 in den Abbey Road Studios die erste Single Zip Zip unter Musikproduzent Norman Newell, unter dem Bandnamen John Barry Seven entstand am 3. Juni 1958 erneut mit Produzent Newell die Single Big Guitar. Auf Hitparadenerfolge musste er bis zum Jahr 1960 warten, als seine Band sich mittlerweile John Barry Seven Plus Four nannte. Diesmal mit Produzent John Burgess entstand am 14. Januar 1960 die Single Hit And Miss, die mit Rang 10 der britischen Hitparade die höchste Platzierung seiner Singles erreichte.
Nach Auftritten im Fernsehen, insbesondere in den Sendungen 6.5 Special und Oh Boy! der BBC, erfolgreichen Plattenverkäufen und dank der geschickten Hand von Barrys Managerin, Eve Taylor, gelang es ihm, ins ersehnte Filmgeschäft einzusteigen. Im Jahr 1960 erhielt er den Auftrag, die Filmmusik für den Film Beat Girl (deutsch: Heiß auf nackten Steinen) zu schreiben, der am 28. Oktober 1960 in England in die Kinos kam. Hierin spielte Rock ’n’ Roll eine große Rolle. Der Film diente zudem als Vehikel, um den Sänger Adam Faith noch bekannter zu machen.
Der große Durchbruch als Filmkomponist kam für Barry schließlich im Zuge der beginnenden James-Bond-Erfolgswelle, die im Jahr 1962 ihren Anfang nahm. Ab 9. Januar 1962 machte der Filmproduzent United Artists Druck, dass ein Theme-Song gefunden werden müsse, der James Bond während der geplanten Filmserie identifizierbar mache. Monty Norman sollte eine Filmmusik abliefern, komponierte in der Eile jedoch keinen neuen Song, sondern schlug seine im Sommer 1961 verfasste Komposition Bad Sign, Good Sign vor, die nie veröffentlicht worden war; sie wurde für unpassend empfunden. Alle Beteiligten schlugen Barry als Arrangeur vor. Am 9. Juni 1962 trafen sich Norman und Barry das erste Mal. Am 21. Juni 1962 war der erste Aufnahmetermin des nunmehr als James Bond Theme titulierten Songs in den Cine-Tele Sound-Studios (CTS, London) mit John Barry Seven & Orchestra, der Rest wurde am 25./26. Juni 1962 in Londons Denham Filmstudios aufgenommen. Die Single erschien im September 1962 und erreichte im November 1962 Rang 13 der britischen Charts. Im Bond-Film James Bond – 007 jagt Dr. No erschien das Thema erstmals bei der Premiere im London Palladium am 5. Oktober 1962.
Rechtlich waren die Funktionen klar, denn Komponist war Monty Norman, Musikproduzent John Burgess und Arrangeur John Barry. Dieser hatte allerdings am 12. Oktober 1997 in der Sunday Times behauptet, dass er der Komponist der Filmmusik sei. Norman fühlte sich vom Zeitungsartikel verleumdet und reichte Klage ein. Zwischen 1976 und 1999 hatte Norman Royaltys in Höhe von 485.000 £ vereinnahmt. Im März 2001 erreichte der Urheberrechtsstreit den Londoner High Court, wo die 60 Takte der Melodie tiefgehend analysiert wurden. Die eröffnende Basslinie („vamp“), das folgende Gitarrenriff und die Bebop-Phrasen der Bridge im Big-Band-Stil waren von Barry arrangiert. Der Gutachter war der Auffassung, dass das Gitarrenriff der Grundgedanke des Songs sei, der Normans Bad Sign, Good Sign entstamme. Damit war der größte Teil auf Monty Norman als Komponist zurückzuführen. Am 19. März 2001 entschied das Gericht zu Gunsten von Norman, der 30.000 Pfund Schmerzensgeld wegen Verleumdung erhielt. Das Theme wurde seitdem modifiziert bis 1981 eingesetzt.
Unbestritten ist zwar, dass Barry mit seinem Arrangement von 1962 das Bond-Thema sehr stark veränderte und erweiterte. Das Gericht hat jedoch seine kompositorischen Anteile als zu gering angesehen, da es Barry nur 10 der 60 Takte zubilligte. Dennoch wurde danach nicht Norman, sondern John Barry verpflichtet, für die folgenden James-Bond-Filme die Musik zu komponieren. Bei Goldfinger (1964) war Barry auch für das prestigeträchtige Titellied verantwortlich, das er in Zusammenarbeit mit den Textern Anthony Newley und Leslie Bricusse verfasste. Shirley Bassey sang es und landete damit den größten Hit ihrer Karriere. Für Diamantenfieber (1971) und Moonraker (1979) holte Barry sie wieder zurück vors Mikrofon. Mit Unterbrechungen arbeitete er bis 1987 für die Bond-Leute. Nach Der Hauch des Todes kehrte er der Serie den Rücken. Versuche, ihn zurückzuholen, blieben erfolglos. Barry machte in verschiedenen Interviews der letzten Jahre deutlich, dass für ihn das Kapitel „James Bond“ abgeschlossen sei.
In den späten 1990er Jahren lenkte die Coverversion von On Her Majesty’s Secret Service, die von den Propellerheads auf ihrem Debütalbum Decksandrumsandrockandroll veröffentlicht wurde, nochmals die Aufmerksamkeit auf Barrys Bond-Musik.
Mit dem Erfolg von Bond konnte Barry auch in Hollywood Fuß fassen. Mitte der 1970er Jahre siedelte er nicht zuletzt wegen Schwierigkeiten mit dem britischen Fiskus in die USA über, zunächst nach Hollywood, später an die Ostküste, nach Oyster Bay auf Long Island außerhalb New Yorks, wo er bis zuletzt zusammen mit Frau und Sohn ein zunehmend zurückgezogenes Leben im Halbruhestand führte.
Die interessantesten Filmmusiken komponierte John Barry in der Zeit von 1962 bis 1974. Es mag kein Zufall sein, dass die Übersiedlung in die Vereinigten Staaten einhergeht mit einem stilistischen Wandel in Barrys Musik. Seine Musik wurde streicherlastiger und betont langsamer als früher. Die ausgefallenen Arrangements, wie man sie vorab aus seinen Arbeiten um 1964–1969 kannte, wurden seltener. Der Komponist sah sich gerade in der zweiten Hälfte seiner Karriere häufig dem Vorwurf der Einfallslosigkeit ausgesetzt.
Barry erlitt 1988 einen Speiseröhrenriss. Über die genauen Umstände herrscht Unklarheit. Sein Gesundheitszustand blieb in der Folge lange sehr ernst. Erst 1990 war er so weit genesen, dass er wieder arbeiten konnte, als Kevin Costner ihn für den Film Der mit dem Wolf tanzt holte. Die Musik brachte Barry seinen fünften und letzten Oscar ein.
In den 1990er Jahren manifestierte sich ein Mentalitätswandel in Hollywood, der für Barrys Arbeit nicht ohne Folgen bleiben sollte. Etliche seiner Filmmusiken wurden abgelehnt (s. Kapitel Gescheiterte Filmmusikprojekte). Ein Schicksal, das er mit Maurice Jarre oder Elmer Bernstein und vielen anderen teilte. Barry antwortete darauf mit teilweisem Rückzug aus dem Geschäft. Im Jahr 2003 sollte er die Musik zu The Incredibles (Die Unglaublichen) schreiben, doch wegen Meinungsverschiedenheiten verließ er das Projekt nach kurzer Zeit wieder, und Michael Giacchino rückte nach. Barrys letzte vollendete Filmmusik zu Enigma (2001) erreichte wie manche seiner Spätwerke nicht mehr die Frische und den Einfallsreichtum früherer Kompositionen.
Im Jahr 2004 versuchte sich Barry erneut an einem Musical-Projekt, das er seit gut 40 Jahren hatte realisieren wollen. Das Stück mit dem Titel Brighton Rock basiert auf Graham Greenes gleichnamigen Roman (dt. Am Abgrund des Lebens). Zusammen mit seinem langjährigen Mitarbeiter und Liedtexter Don Black schrieb Barry das Werk fertig. Die Premiere fand im Londoner Almeida Theater im Herbst 2004 statt. Doch Brighton Rock floppte. Die Kritiken waren meist ablehnend, und das Stück verschwand nach wenigen Vorstellungen wieder von der Bühne. Pläne, die Show außerhalb Londons erneut zu starten, zerschlugen sich. Barrys erfolgreichstes Musical blieb somit Billy, das er 1974 mit Don Black geschrieben hatte und dem Hauptdarsteller Michael Crawford zum Durchbruch als Musical-Star verhalf. Ansonsten war Barry mit seinen Theaterwerken weniger Erfolg beschieden als mit seiner Musik für Filme.
Im August/September 2006 erschien ein Album der australischen Sängerformation The Ten Tenors unter dem Titel Here’s To The Heroes. Darauf befinden sich unter anderem acht Lieder von Barry, die er in Zusammenarbeit mit dem Texter Don Black schrieb. Die Melodie für das Titellied entstammte dem Der mit dem Wolf tanzt-Soundtrack, wo sie unter „Farewell/the End“ veröffentlicht wurde. Er wirkte auf dem Album auch als ausführender Produzent mit. Ein Tributkonzert zu Ehren von Barrys Musik in der Royal Albert Hall vom 28. September 2006 füllte die Ränge nur zu etwa zwei Dritteln.
Am 16./17. November 2007 stand das 8. Festival International Musique & Cinéma D’Auxerre im Zeichen von Barrys Werk. In Auxerre wurde dem Komponisten der Ordre des Arts et des Lettres vom französischen Kulturminister verliehen. Im Rahmen des Festivals fanden auch ein Podiumsgespräch mit dem Komponisten sowie ein Konzert statt, an dem Barry jedoch nur kurz in Erscheinung trat; Hauptdirigent war Nicholas Dodd.
Sporadisch war Barry auch zu anderen Tributanlässen zu sehen; so etwa in Dublin am 20. Juni 2008, wo ihm zu Ehren ein Konzert mit seinen bekanntesten Werken gegeben wurde. Wegen Barrys gesundheitlicher Probleme war es ihm zuletzt nicht mehr möglich, persönlich an Ehrungen seines Lebenswerks in Wien (2009) und Gent (2010) teilzunehmen und dort die Auszeichnung entgegenzunehmen.
Das Lied Our Time Is Now schrieb Barry zusammen mit Don Black für Shirley Bassey im Jahr 2009 für ihr Album The Performance. Es sollte Barrys letzte Neukomposition sein, die noch zu seinen Lebzeiten auf CD veröffentlicht wurde.
In den letzten Lebensjahren verschlechterte sich John Barrys Gesundheit immer mehr. Er starb am 30. Januar 2011 in einem Spital in Glen Cove an den Folgen eines Herzanfalls.
Für seine Filmmusiken erhielt Barry neben vielen anderen Preisen fünf Oscars, zwei für Frei geboren – Königin der Wildnis (in den Kategorien Bestes Lied und Beste Filmmusik) und je einen für die Beste Filmmusik von Der Löwe im Winter, Jenseits von Afrika sowie Der mit dem Wolf tanzt. Er gewann vier Grammys. Außerdem war er dreimal für eine Goldene Himbeere nominiert und erhielt sie für die Schlechteste Filmmusik zu Legend Of The Lone Ranger (1981) (für eine ausführliche Liste der Auszeichnungen siehe unten entsprechenden Weblink).
Es handelt sich hier um Filme, für die Barry Musik komponierte, die aber abgelehnt wurde. Teils waren es nur Einzelthemen zu Demonstrationszwecken, teils aber auch vollständig eingespielte Partituren. Die betroffenen Personen geben in der Regel nur ungern Auskunft darüber, wie es zu solchen Ablehnungen gekommen ist.
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