Reinhard Friedrich Michael Mey (* 21. Dezember 1942 in Berlin) ist ein deutscher Musiker und seit Ende der 1960er Jahre einer der populärsten Vertreter der deutschen Liedermacher-Szene. Pseudonyme sind Frédérik Mey (in Frankreich), Alfons Yondraschek und Rainer May.
Reinhard Mey wurde im Berliner Bezirk Wilmersdorf als zweites Kind des Rechtsanwalts Gerhard Mey und der Lehrerin Hertha Mey, geb. Koch, geboren. Er besuchte das Französische Gymnasium in Berlin, wo er 1963 das französische Baccalauréat und das deutsche Abitur absolvierte. Zu Meys Klassenkameraden im Französischen Gymnasium zählten der spätere Liedermacher Ulrich Roski und die Politologin Gesine Schwan. Mey absolvierte im Anschluss eine Ausbildung zum Industriekaufmann bei der Schering AG Berlin. Ein darauf begonnenes Studium der Betriebswirtschaftslehre an der TU Berlin brach er nach sechs Semestern ab, um sich ganz der Liedermacherei zu widmen.
Im Alter von zwölf Jahren bekam Mey seine erste Klavierstunde, mit vierzehn erhielt er seine erste Gitarre (als Leihgabe seiner Tante), kurz darauf kaufte er sich für 40 Mark eine eigene Gitarre. Er brachte sich selbst das Trompetespielen bei. Bereits während der Schulzeit sammelte er mit Freunden Erfahrungen auf der Bühne mit der Aufführung von Skiffle-Musik in der 1957 gegründeten Band Rotten Radish Skiffle Guys, der er das gleichnamige Lied in seinem 2010 erschienenen Album Mairegen widmete. Im Jahr 1961 bildete sich die Gruppe Les Trois Affamés (Die drei Hungrigen) mit seinem Schulkameraden Wolfgang „Schobert“ Schulz und Christian Pechner. Meys erstes Chanson, Ich wollte wie Orpheus singen, erschien 1964. Im selben Jahr bekam er die Möglichkeit, auf dem Festival Chanson Folklore International auf der Burg Waldeck, einer Burgruine im Hunsrück, seine Lieder vorzutragen. Dort lernte er auch 1966 den gleichaltrigen Liedermacher Hannes Wader kennen. 1967 startete er für Deutschland beim Knokke-Festival in Belgien. Dies führte zu seinem ersten französischen Plattenvertrag.
1967 tourte Reinhard Mey zeitweise zusammen mit Hannes Wader durch die Bundesrepublik und spielte mit ihm in Clubs und auf Theaterbühnen. Da das Repertoire beider Musiker zu diesem Zeitpunkt jeweils noch zu klein für ein abendfüllendes Konzert war, traten sie mit einem gemeinsamen Programm ihrer deutschen und französischen Stücke auf. Nach einem besonders erfolgreichen Auftritt im Audimax der Universität Hamburg entschied sich Mey allerdings gegen eine Fortführung der gemeinsamen Auftritte.
Ebenfalls 1967 bekam er einen Plattenvertrag in Deutschland bei Intercord. Anfangs, so Der Spiegel, „schien es freilich, als würde die Karriere des Liedermachers im kommerziellen Abseits enden. Denn der Beamtensohn … tingelte … durch Studenten-Pinten, Keller-Kneipen und Provinz-Turnhallen – ohne nennenswerte Resonanz. … Das deutsche Show-Business nahm jahrelang kaum Notiz von ihm oder spottete bestenfalls: ‚Der Mey ist ein Spinner‘.“ Durch gelegentliche Funk- und Fernseh-Engagements zu bescheidener Popularität gelangt, brachten ihm erst 1971 die Doppel-LP Reinhard Mey live (bis Oktober 250.000 verkaufte Exemplare) sowie das Lied Der Mörder ist immer der Gärtner den Durchbruch zu einem Massenpublikum.
1967 heiratete er die Französin Christine; die Ehe wurde 1976 geschieden. Seit 1977 ist Mey mit seiner Frau Hella verheiratet und lebt in Berlin-Frohnau. Aus dieser Ehe stammen die Söhne Frederik (* 1976) und Maximilian (* 1982) sowie Victoria-Luise Mey (* 1985), die auf der CD Mr. Lee ein Lied singt und bei der gleichnamigen Tournee 2017/18 als Fotografin agierte.
Im Mai 2014 starb Meys Sohn Maximilian nach einem etwa fünf Jahre dauernden Wachkoma, das aus einer verschleppten Lungenentzündung und Herzrhythmusstörungen resultierte. Er wurde 32 Jahre alt.
Meys französisches Pseudonym Frédérik Mey leitet er von der französischen Version seines Zweitnamens Friedrich ab. Er wählte es aus phonetischen Gründen, da nach seiner Ansicht der dem deutschen Reinhard entsprechende französische Vorname Renaud eine ungünstige französische Aussprache nach sich gezogen hätte. Renaud klingt wie Renault und als voller Name Renaud Mey ähnlich wie renommée.
Ein weiteres Pseudonym war Alfons Yondraschek, unter welchem er für das Duo Inga & Wolf das Lied Gute Nacht, Freunde schrieb. Diese sollten damit am Eurovision Song Contest 1972 teilnehmen. Im deutschen Vorentscheid am 19. Februar 1972 belegte das Lied den vierten Platz. Den Namen Alfons Yondraschek verwendete Mey bereits vorher im Lied Ankomme Freitag den 13., in dem er beteuert, „ganz bestimmt nicht Alfons Yondraschek“ zu sein. Der Name taucht in Meys Werk noch einmal auf: In Zwei Hühner auf dem Weg nach vorgestern wird Alfons Yondraschek als Autor des gleichnamigen Theaterstücks genannt.
Eines der frühesten Pseudonyme ist Rainer May, unter dem er 1965 unter anderem das Stück Geh und fang den Wind herausbrachte, eine deutschsprachige Interpretation des Donovan-Hits Catch The Wind (deutscher Text: Joe Menke). Dieses Pseudonym entstand ungewollt – der Produzent hatte den Namen falsch notiert.
Zwischen 1967 und 2016 hat Mey 27 deutsche Studioalben herausgebracht, das erste Ich wollte wie Orpheus singen 1967, das bisher letzte Mr. Lee 2016. Von 1986 bis 2004 veröffentlichte Reinhard Mey seine Studioalben im Zwei-, seitdem im Dreijahresrhythmus, jeweils im Mai.
Außerhalb dieses Dreijahresrhythmus erschien 2015 unter dem Titel Lieder von Freunden ein Album mit Titeln von Ulrich Roski, Pete Seeger, Rio Reiser, Franz Josef Degenhardt, Heinz Rudolf Kunze, Klaus Hoffmann, Gerhard Gundermann, The Magnetic Fields, Colin Wilkie, Johann Sebastian Bach, Selma Meerbaum-Eisinger, I Muvrini, Manfred Maurenbrecher, Ludwig Hirsch und Boris Vian. Anders als bei seinen Studioalben erarbeitete er die Aufnahmen nicht in einem relativ kurzen Zeitraum, sondern sie entstanden über viele Jahre hinweg.
„,Wir alle haben irgendwo in der Erinnerung, oder gerade im Ohr, so ein Lied, wo es dich packt, dass du nicht weißt, wie dir geschieht‘, wie ich mal versucht habe, es zu beschreiben. Ich habe viele solcher Lieder aus der Feder sehr naher oder ferner Kollegen, die mir doch alle über ihre Musik gleich vertraut sind. Manche begleiten mich schon mein ganzes Leben, manche entdecke ich vielleicht erst jetzt, aber von nun an werden auch die zu Weggefährten für immer. Lieder, die ich für mich singe, einfach weil sie mir Freude machen, weil sie mich trösten oder bewegen und manchmal, wenn nach einem Studiotag noch ein bisschen Zeit ist und die Kollegen Lust haben, oder Besuch kommt, den ich – wie meine Tochter – zum Mitsingen überreden kann, dann nehme ich schon mal eins davon auf, einfach so. Über die Jahre ist daraus über ein gutes Dutzend Aufnahmen entstanden aus der spontanen Lust am Musizieren, am Experimentieren, aus dem Wunsch, nach einem Tag voller Musik im Studio, nicht ohne eine letzte Zugabe auseinander zu gehen. Ich nenne sie die Lieder von Freunden.“
Zu den Studioaufnahmen veröffentlichte Mey 16 deutsche Livealben, das erste erschien 1971 bei Intercord unter dem Titel Reinhard Mey live. Aufgenommen wurde es in Berlin im Dezember 1970. Von den 25 Liedern auf dem Doppelalbum sind bis auf zwei alle von ihm getextet und komponiert. Seit Anfang der 1990er Jahre zeichnen sich die Livealben durch einen beträchtlichen Teil an einleitenden Sprechbeiträgen aus. Außer diesen beiden Plattentypen gibt es eine große Anzahl von Samplern, Singles und zwei DVDs, von denen die erste in wesentlichen Teilen Filmmaterial enthält, das anlässlich des 60. Geburtstags 2002 produziert wurde.
Mey hatte großen Erfolg in Frankreich und den Niederlanden. Es gibt in französischer Sprache sieben Frédérik-Mey-Alben und zwei Live-LPs; zuletzt erschien nach 23-jähriger Pause die CD Frédérik Mey, Vol. 7 – douce france (2005). Es erschienen Texte von Mey in französischen Schulbüchern. Auf Niederländisch erschien 1975 Als de dag van toen („Wie vor Jahr und Tag“) – seine einzige Doppel-Platin-Platte überhaupt – und 1976 Er zijn dagen … („Es gibt Tage …“). Der Versuch, 1970 mit der LP One Vote for Tomorrow in Großbritannien Fuß zu fassen, schlug fehl.
Seinen größten Erfolg veröffentlichte er mit der LP Mein achtel Lorbeerblatt (1972), das den inzwischen zu einem Evergreen gewordenen Titel Gute Nacht, Freunde enthält. Ein weiteres sehr bekanntes Lied von Mey ist Über den Wolken aus dem Jahr 1974, das zunächst als B-Seite der Single Mann aus Alemannia herausgebracht wurde. Unter anderem erreichte dieser Titel 2005 bei der Wahl der 100 besten Lieder des Jahrhunderts (vom ZDF im Rahmen der Fernsehreihe Unsere Besten veranstaltet) den 4. Platz. Der Titel wurde in dieser Sendung live von Mey gesungen.
Dreimal erreichte Mey Platz eins der deutschen Albumcharts: 1972 mit Mein achtel Lorbeerblatt, 2007 mit Bunter Hund und 2013 mit dann mach’s gut. Die erste goldene Schallplatte bekam Mey für Ich bin aus jenem Holze (1971).
Von Meys Auftritten mit Kollegen ist das Konzert anlässlich Hannes Waders Geburtstag im Juni 2002 zu nennen. Gemeinsam mit Konstantin Wecker sangen sie knapp dreißig Lieder, und zwar entweder solistisch oder mehrstimmig. Das Doppelalbum Mey, Wader, Wecker – das Konzert erschien 2003 und wurde im selben Jahr noch um fünf Lieder erweitert als limitierte Ausgabe herausgegeben.
Bislang spielte Reinhard Mey über 1390 (komplette) Konzerte. Seine Tourneen führten ihn durch Deutschland, Österreich und die Schweiz und durch Frankreich, Belgien und die Niederlande. In Frankreich gab Reinhard Mey unter seinem französischen Künstlernamen zwei dreiwöchige Gastspiele (1976 im Palais des Congrès, Paris und 1979 dreiwöchiges Gastspiel in der Pariser Music-Hall Bobino). Meist sind die Tourneen nach dem vorangehenden Studio-Album benannt, während die Live-Alben, die die Tourneen dokumentieren, eigenständige Namen tragen.
Die Organisation der Tourneen leitete von 1970 bis 2005 Peter Graumann, der am 29. Oktober 2005 verstarb. Diesem engen Weggefährten widmete Mey 1992 ein eigenes Lied (Peter).
Im Jahr 1989 erhielt er nach langjährigen Anfragen bei den Verantwortlichen der DDR endlich die Möglichkeit, „einmal in Dresden [zu] singen“. Er bekam eine Einladung in Gunther Emmerlichs Showkolade. Nach seiner Anreise am 7. November 1989 wurde ihm untersagt, Über den Wolken zu singen, da das Wort „Freiheit“ nicht gewünscht sei. Das Konzert fand am 11. November 1989 statt. Durch den zwischenzeitlichen Mauerfall und den damit einhergehenden aufkeimenden Freiheitsgedanken durfte er sowohl Über den Wolken als auch Gute Nacht, Freunde vortragen, welche beide den bis zum 8. November 1989 untersagten Freiheitsgedanken in sich tragen.
Meys Lieder zeichnen sich durch oft umfangreiche Texte und eingängige Melodien aus. Sie sind stark vom französischen Chanson beeinflusst; manche seiner Lieder zeigen außerdem in Melodiebau und Instrumentarium den Einfluss der Countrymusik. Im Gegensatz zum französischen Chanson behandelten Meys Lieder anfangs eher selten politische Themen (s. In Tyrannis). Vor allem seit den 1990er Jahren finden sich zunehmend auch politisch Stellung beziehende, gesellschafts- und zeitkritische, oft von einer pazifistischen Haltung geprägte Stücke auf seinen Alben (Die Waffen nieder, Sei wachsam, Heimatlos, Das Narrenschiff, Frieden, Nein, meine Söhne geb’ ich nicht, Kai). Mit dem Lied Die Kinder von Izieu, das die Deportation von 44 jüdischen Kindern aus Frankreich beschreibt, bezog er dezidiert Stellung gegen ein Vergessen der nationalsozialistischen Verbrechen. Dabei vertritt Mey eine moderat linke politische Position. In seinen Liedern setzt er sich besonders für die Werte Freiheit und Gewaltlosigkeit bzw. Frieden ein und engagiert sich auch dahingehend (beispielsweise im Bundestagswahlkampf 2002 für den Omnibus für direkte Demokratie oder auf einer Großdemonstration Anfang 2003 in Berlin gegen den bevorstehenden Irakkrieg).
Reinhard Mey behandelt in seinen Liedern im Wesentlichen aus dem Leben gegriffene Themen. In den 1960er und 1970er Jahren waren das unter anderem Liebeslieder (Und für mein Mädchen, Herbstgewitter über Dächern, Wie vor Jahr und Tag, Sommermorgen), Lieder über das Fliegen (Über den Wolken, Ikarus, Lilienthals Traum), über den Tod (Schade, dass du gehen musst, Die Zeit des Gauklers ist vorbei, Wie ein Baum, den man fällt, Mein Testament), satirische Betrachtungen von gesellschaftlichen Gegebenheiten und den Widrigkeiten des Alltags (Diplomatenjagd, Annabelle, Ein Antrag auf Erteilung eines Antragformulars, Die heiße Schlacht am kalten Buffet) oder seines eigenen Lebens (Trilogie auf Frau Pohl, Ankomme Freitag, den 13., Die Homestory). Gelegentlich gelingt es ihm dabei, die deutsche Sprache zu prägen (Der Mörder ist immer der Gärtner). Immer wieder benutzt Mey die Form der spöttischen Demaskierung, um sich zum Beispiel über die Unzuverlässigkeit von Handwerkern (Ich bin Klempner von Beruf), die Auswüchse des modernen Regietheaters (Zwei Hühner auf dem Weg nach vorgestern) oder über heuchlerische Politiker (Was kann schöner sein auf Erden, als Politiker zu werden) lustig zu machen. Durch die Geburt seiner Kinder ergab sich ab 1977 ein neuer Schwerpunkt: Kinder und Familie (Du hast mir schon Fragen gestellt, Keine ruhige Minute, Menschenjunges). Dieses Thema dominierte bis in die frühen 1990er Jahre.
Mey ist überzeugter Vegetarier und engagierte sich bei der Organisation PETA aktiv für den Tierschutz. Seit 1992 setzten sich einige seiner Lieder mit dem Thema Tierschutz auseinander (Die Würde des Schweins ist unantastbar, Hasengebet, Tierpolizei, Erbarme dich, Hundgebet). Diese und andere Tierlieder aus verschiedenen Jahrzehnten veröffentlichte er 2006 gesammelt auf dem Sampler Frei!. Auf dem 2013 erschienenen Album dann mach’s gut widmet er sich diesem Thema unter dem Titel Gute Kühe kommen in den Himmel.
Mey moderierte wiederholt Fernsehsendungen (beispielsweise die Reinhard-Mey-Show 1972) und trat in TV-Filmen als Gastdarsteller auf (2002 unter der Regie von Jan Josef Liefers in der Liebeskomödie Die Frauenversteher – Männer unter sich als Flugzeugmechaniker und 2005 in Küss mich, Hexe als Weißer Magier (Regie: Diethard Küster)).
Vom Juni 1973 bis Dezember 1974 moderierte Mey sechs Ausgaben der Sendung Chansonnade für das Schweizer Fernsehen.
1979 gestaltete er mit Salvatore Adamo eine musikalische Gemeinschaftssendung (Zwei Herren im Dreiviertelfrack), 1980 Der dicke Lange und der kleine Dünne mit Mort Shuman sowie 1981 Manche mögen’s leis mit Heidelinde Weis und produzierte 1982 beim ZDF die eigene Show Ich hab’ Dich lieb. Zusammen mit Rut von Wuthenau (Rut Speer) drehte er für das ZDF seinen persönlichen Heimatfilm Reinhard Mey und sein Dorf in Berlin, der im Juni 1989 ausgestrahlt wurde. Weiterhin moderierte Mey 1980, Frank Elstner nachfolgend, 3 Folgen der ARD-Unterhaltungssendung Die Montagsmaler, bis Sigi Harreis im Januar 1981 die Moderation übernahm. Bei den Montagsmalern hatte er insgesamt sechs Auftritte als Prominenter Mitrater (1978) oder im Showteil (1977–86).
Von 1987 bis 1996 moderierte Mey das Musikfestival Songs an einem Sommerabend. In diesem Rahmen bot er auch eigene Lieder dar. Da er nicht gewillt war, darauf zu verzichten, das Lied Sei wachsam mit dem darin enthaltenen Text „Der Minister nimmt flüsternd den Bischof beim Arm: / Halt du sie dumm, – ich halt’ sie arm!“ zu singen, beendete er seine Moderationstätigkeit und seine Teilnahme für mehrere Jahre. Seit 2006 nimmt Reinhard Mey aber wieder regelmäßig am Festival teil und ist auf den CDs vertreten, so 2011 und 2014.
Meys Lieder wurden von der deutschsprachigen Musikkritik und Presse zunächst größtenteils positiv aufgenommen und überwiegend als angenehmer Kontrast zur seichten Schlagermusik mit ihren niveauarmen Texten gesehen (um 1970). So nannte ihn beispielsweise die Neue Zürcher Zeitung einen „seltenen Glücksfall im Showbusiness“, mit „jungenhafter Frische, unbekümmerter Spontaneität und Direktheit im Kontakt mit dem Publikum“. Andere sahen in ihm „die unerkannte Stimme des aufgeschlossenen jungen Mittelstandes“.
Mit wachsendem Erfolg häuften sich Anfang der 1970er Jahre jedoch auch negative Kritiken, vor allem von linker Seite, die ihm mangelndes politisches Engagement („Rückzugslyriker“), Ängstlichkeit und einen Hang zur Idylle („Heino fürs Dritte Programm“) vorwarfen. So bezeichnete Volker Rebell in der Frankfurter Rundschau Meys musikalische Gestaltung als „nicht unterscheidbar von der kleinkarierten Schlagermusik […] von der Essenz her der gleiche Kohl, die gleichen beschränkten Variationen über ein Standardsortiment musikalischer Muster“. Barry Graves nannte den Sänger in der Welt einen „nichtssagenden Schnurrenerzähler“, einen „Fluchthelfer der Umweltverdrossenen“ und einen „Heintje für geistig Höhergestellte“. Einen Höhepunkt erreichte diese Kritik Mitte der 1970er Jahre, als Mey in dem Lied Annabelle Erscheinungsformen und Auswüchse der Studenten- und 68er-Bewegung aufs Korn nahm. Thomas Rothschild schrieb in dem Buch Liedermacher: „Mit dieser Karikatur einer linken Studentin […] entpuppte sich Reinhard Mey endgültig als einer, der seinen kleinbürgerlichen Zuhörern, die sich ihre heile Welt nicht rauben lassen wollen, nach dem Mund singt. […] Was offenbar sogar Moderatoren für Humor halten, ist bösartige Lächerlichmachung einer Minderheit. Von der Annabelle, die nie lacht, zum Russen mit dem Messer zwischen den Zähnen ist es nur ein Schritt. Mey betreibt mit Annabelle Hexenjagd in Chanson-Form.“
In späteren Jahren wurde Mey – mit wenigen Ausnahmen (z. B. die Tageszeitung: „Säuselbarde“) – nicht mehr derart scharf wegen seiner Liedinhalte kritisiert. Man sah in ihm eher den „Klassensprecher der müden Rebellen“, einen „unverkennbaren Meister der dezenten Gefühlsambivalenz“, dessen poetischste Lieder ein „wehmütiges Tasten am Jenseitsrand“ sind. Die Süddeutsche Zeitung würdigte ihn zu seinem 70. Geburtstag als „Poet des Alltäglichen“ und „großen Humanisten, Spötter und Tröster“, dessen Lieder die „Chronik unseres bürgerlichen Lebens in berührend langmütigen, wunderbar sentimentalen und angemessen moralischen Balladen“ besungen haben.
In Frankreich gab es keine vergleichbare negative Kritik.
Mey selbst reagierte 1972 in Form des Chansons Mein achtel Lorbeerblatt. Der Refrain lautet: „Und ich bedenk’, was ein jeder zu sagen hat / Und schweig’ fein, still / Und setz’ mich auf mein achtel Lorbeerblatt / Und mache, was ich will.“ Rückblickend formulierte Mey mit Blick auf seine damaligen Kritiker: „Wenn man 1971 eine goldene Schallplatte bekam, war eben klar, dass man nur ein kommerzielles Schwein sein konnte.“
Für das Lied Annabelle, das ihm nach eigenem Bekunden „jede Menge Ärger, aber auch jede Menge Spaß“ eingebracht hat, schrieb er 1998, 26 Jahre später, mit Der Biker eine Art Entschuldigungssong, in dem er seine Wertschätzung für Annabelle zum Ausdruck bringt.
Die meisten Liedtexte finden sich auf der offiziellen Reinhard-Mey-Seite. Es fehlen dort aber nach wie vor die Texte von frühen Liedern wie Bauer, ich bitt’ euch, Das Canapé, Drei Lilien, Mädchen in den Schänken und anderen (Stand Oktober 2014). Bei diesen Liedern ist die Musik von Mey, der Text aber von anderen Autoren. Diese Texte fehlen ebenfalls im offiziellen Liedtextbuch Alle meine Lieder, das 1985 erschien (erweiterte Neuauflage erschien am 2. Dezember 2016: Alle Lieder – Toutes les chansons), sie sind aber mit Noten im offiziellen Liederbuch Von Anfang an enthalten.
Die Veröffentlichung eines biografischen Buches Über den Wolken ließ Reinhard Mey gerichtlich untersagen. Kurz darauf, im August 2005, gab er ein eigenes Buch mit dem Titel Was ich noch zu sagen hätte (Autor: Bernd Schroeder) heraus.
1973 erwarb Mey auf dem Flugplatz Wilhelmshaven-Mariensiel die Privatpilotenlizenz für Motorflugzeuge (PPL A), die er drei Jahre später um die Instrumentenflugberechtigung erweiterte. 1982 erwarb er die Privatpilotenlizenz für Hubschrauber mit Kolben- und Turbinentriebwerken (PPL H). Als Schüler von Weltmeister Manfred Strößenreuther erhielt er 1984 schließlich die Berechtigung zum Kunstflug mit Motorflugzeugen. Mit einem Freund kaufte er eine zweimotorige Cessna 340, mit der sie Charterflüge durchführten, bis das Geschäft aufgrund der Ölkrise nicht mehr rentabel war. Nachdem er 1996 zunächst sämtliche Fluglizenzen hatte verfallen lassen, ist er seit 2004 wieder im Besitz einer Pilotenlizenz.
Meys Leidenschaft zur Fliegerei spiegelt sich auch in den Texten seiner Lieder wider: Ein Beispiel dafür ist der Titel Über den Wolken, der von der Sehnsucht nach der Freiheit des Fliegens handelt. All die sturmfesten Himmelhunde beschäftigt sich mit den frühen Flugpionieren, Otto Lilienthal bekam mit Lilienthals Traum gar ein eigenes Lied. Das Lied Golf November ist eine Hommage an den Rettungshubschrauber Christoph 4 und seine Besatzung.
Reinhard Mey besitzt ein Haus in Kampen. Sein enger Bezug zur Nordsee und zur Insel Sylt spiegelt sich in einigen seiner Lieder wider. Weiterhin ergeben der Albumname Rüm Hart und der DVD-Titel Klaar Kiming einen nordfriesischen Sinnspruch (Rüm Hart, klaar Kiming – „Weites Herz, klarer Horizont“).
Auf Sylt sorgte er im Jahr 2002 für erhitzte Diskussionen, als er in einem offenen Brief an die Gemeindeverwaltung von Kampen in satirisch-ironischer, aber missverständlicher Art den Einsatz lärmender Rasenmäher durch Nachbarn – die er mit „Gartennazis“ betitelt – als allgegenwärtige Ruhestörung anprangerte. Der Vorfall wurde bundesweit vom Boulevard-Journalismus aufgegriffen. Mey selbst verarbeitete das Ereignis in einer Umdichtung seines 1996 erschienenen Liedes Irgendein Depp bohrt irgendwo immer: Auf Meys darauffolgendem Live-Album Klaar Kiming und der wenig später herausgebrachten gleichnamigen Doppel-DVD erschien Irgendein Depp mäht irgendwo immer.
Im Jahr 2000 engagierte er sich als „Bootschafter“ für die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS). Der jährlich wechselnde Bootschafter stellt sich für eine Amtsperiode ehrenamtlich für Werbemaßnahmen der im Wesentlichen aus Spendengeldern finanzierten DGzRS zur Verfügung.