Rock Aid Armenia war ein 1989 von Jon Dee ins Leben gerufenes Musikprojekt, das eingerichtet wurde, um den Opfern des Erdbebens von Spitak in Armenien zu helfen. Neben einer Neuveröffentlichung des Liedes What’s Going On durch verschiedene britische Künstler wurde mit zahlreichen namhaften Musikern der Deep-Purple-Titel Smoke on the Water neu aufgenommen und veröffentlicht. Außerdem entstand ein Kompilationsalbum mit kostenlos zur Verfügung gestellten Titeln weiterer Künstler sowie ein Homevideo. Das Projekt wird heute noch fortgesetzt.

Hintergrund

Epizentrum
Lage des Epizentrums in Armenien

Am 7. Dezember 1988 erschütterte ein Erdbeben die Gegend um die nordarmenische Stadt Spitak (Provinz Lori) in der Sowjetunion. Mit einer geschätzten Anzahl von mindestens 25.000 Toten und einer Million Obdachlosen zählt es zu den schwersten Erdbeben der letzten Jahrzehnte. In der Folge kam es zum ersten Mal während des Kalten Krieges zu humanitären Hilfsmaßnahmen westlicher Organisationen in der Sowjetunion.

Das Erdbeben erschütterte die Region um 11:41 Uhr Ortszeit (7:41 Uhr UTC). Es hatte eine Stärke von 6,9 auf der Momenten-Magnituden-Skala, das Epizentrum lag etwa 18 Kilometer nordwestlich von Spitak. Verglichen mit anderen Erdbeben ähnlicher Magnitude richtete es verheerende Schäden an, einerseits weil das Hypozentrum nur etwa fünf Kilometer unter der Erdoberfläche lag, andererseits weil die Bausubstanz der Gebäude in Spitak und den umliegenden Ortschaften äußerst schlecht war. Vier Minuten nach dem Hauptbeben erschütterte ein Nachbeben der Stärke 5,8 die Region, in den folgenden Monaten wurden weitere Nachbeben bis maximal Stärke 5,0 registriert.

Die Angaben über die Opferzahlen gehen weit auseinander. Häufig werden 25.000 Tote genannt, während andere Quellen von deutlich höheren Zahlen berichten. Trotzdem konnten in den ersten Stunden nach dem Beben rund 15.000 Menschen aus den zusammengestürzten Gebäuden gerettet werden.

Nach der Nachricht über die Katastrophe kehrte der damalige, aus dem Kaukasus stammende sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow kurzfristig von einem Staatsbesuch in den USA zurück und besuchte das Erdbebengebiet. Angesichts des Ausmaßes der Schäden bat Gorbatschow nach wenigen Tagen ungeachtet des Kalten Krieges die USA um humanitäre Hilfe, zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg. In der Folge leisteten mehrere westliche Staaten im Kaukasus Hilfe, darunter auch Deutschland und die Schweiz.

Musikprojekt

Jon Dee, ein australischer Kampagnenaktivist, sah Filmaufnahmen und Bilder aus dem Katastrophengebiet und schilderte später:

Das Material, das ich aus Armenien bekam, war wirklich schrecklich. Ganze Gemeinden waren von der Landkarte gewischt worden. Die Straßen waren voller Menschen, die den Verlust von Familienmitgliedern beklagten. Schulen waren zusammengestürzt und viele Kinder waren dadurch getötet worden. Die traurigsten Bilder waren die von Leuten, die kleine Särge mit toten Babys darin trugen. Die Unglückszone war eine kalte und hoffnungslose Gegend.

Jon Dee:

What’s Going On

Dee entschied sich dazu, Musiker für eine Hilfsaktion zu gewinnen. Die erste Veröffentlichung zu Gunsten der Katastrophenopfer war die Neuaufnahme des Liedes What’s Going On, das von Boy George, Aswad, Errol Brown, Richard Derbyshire und verschiedenen anderen britischen Künstlern interpretiert wurde.

Smoke on the Water

Dee wollte aber auch Smoke on the Water neu aufnehmen lassen und veröffentlichen, und nahm dafür Kontakt zu David Gilmour (Pink Floyd) auf, der von der Idee begeistert war und seine Unterstützung zusagte. Er erlaubte, dass Dee seinen Namen benutzen dürfe, um weitere Musiker für das Projekt zu gewinnen. Letztlich nahmen Bryan Adams, Geoff Beauchamp, Ritchie Blackmore, Bruce Dickinson, Geoff Downes, Keith Emerson, Ian Gillan, David Gilmour, Tony Iommi, Alex Lifeson, Brian May, Paul Rodgers, Chris Squire und Roger Taylor den Titel zusammen neu auf. Den Gesang der einzelnen Strophen teilten sich Ian Gillan (Deep Purple), der Sänger des Originals, Bruce Dickinson von Iron Maiden und Paul Rodgers.

Die Aufnahmen in den Metropolis Studios in Chiswick, London, begannen am 8. Juli 1989. In insgesamt fünf Sessions wurde die Single von Gary Langan und Geoff Downes produziert. Nach ihrer Veröffentlichung gelangte sie in die UK-Charts und erreichte am 30. Dezember 1989 ihre Spitzenposition (Platz 39). Es wurde außerdem ein mit Keyboards angereicherter Radio-Mix angefertigt, der 1990 auf dem The Earthquake Album erschien.

Full Metal Rackets

Das letzte Projekt von Rock Aid Armenia bestand aus einer Neuaufnahme des Led-Zeppelin-Songs Rock and Roll, der von einer Band aufgenommen wurde, die aus Steve Harris und Nicko McBrain von Iron Maiden an Bass und Schlagzeug, Andy Barnett (Gitarre) sowie den Tennisspielern John McEnroe und Pat Cash (beide Gitarre) bestand. Das Lied wurde 1991 veröffentlicht.

Smoke on the Water – The Metropolis Sessions

Im Jahr 2010, 21 Jahre nach der ersten Veröffentlichung, brachte Jon Dee die mit einer begleitenden DVD versehene EP Smoke on the Water – The Metropolis Sessions heraus. Auf ihr war ein von Dee und Josh Wermut 2010 erstellter Remix des Liedes enthalten, außerdem der Original-Mix von 1989, der Radio-Mix von 1990 sowie eine Aufnahme der Gesangseinspielung von Ian Gillan für die 1989 aufgenommene Fernsehdokumentation. Die DVD enthielt den Videoclip von 1989 sowie den Beitrag The Making of Smoke on the Water.

Zu seinen Motiven für die Wiederveröffentlichung schrieb Dee:

Vor zwei Jahren wurde ich von Ara Tadevosyan über den aktuellen Stand in der Erdbebenregion informiert. Das Leben ist für die Menschen dort immer noch sehr schwierig, und wir fanden heraus, dass eine Kinder-Musikschule in Gyumri, immer noch nicht wieder aufgebaut werden konnte. Deshalb entschieden wir uns, dass Projekt wieder ins Leben zu rufen. Jeden Cent des Geldes, das wir damit einnehmen, fließt in den Wiederaufbau dieser Schule.

Jon Dee:

Demselben Ziel widmet sich auch das von Ian Gillan und Tony Iommi 2011 gestartete Projekt Who Cares, mit dem Konstanz in die Bemühungen um den Wiederaufbau der Schule gebracht wird.

Nachklang

Im Oktober 2009 wurde Jon Dee und den am Projekt beteiligten Musikern in Jerewan durch den armenischen Premierminister Tigran Sergsyan der Ehrenorden, die höchste Auszeichnung des Landes, verliehen. An der Zeremonie nahmen neben Dee auch Ian Gillan, Tony Iommi und Brian May teil.

Quelle: Wikipedia