Salif Keïta (* 25. August 1949 in Djoliba, Mali) ist ein malischer Sänger und Songschreiber afrikanischer Pop-Musik. Er wurde als Albino geboren. Aufgrund dieses Gendefekts und seiner damit verbundenen weißen Hautfarbe wurde er im frühen Stadium seiner Karriere häufig diskriminiert. Während seines Schaffens in Afrika war er immer im Widerspruch zwischen seiner adeligen Herkunft und seiner Tätigkeit als Musiker, die sich für Adelige nicht geziemt, gefangen. Erst nach seiner Übersiedelung nach Frankreich war es ihm möglich, die Themen zu verarbeiten, die ihm am Herzen lagen.

Leben

Kindheit und Jugend

Salif Keïta wurde im Dorf Badougou Djoliba geboren. Dieser Ort befindet sich am Fluss Niger und an der Straße von Bamako nach Siguiri in Guinea, das mythisch und historisch bedeutsame Kangaba liegt ebenfalls in der Nähe. Seine Familie zählt sich als Nachkomme des Gründers des Mali-Reiches Sundiata Keïta zum Adel, wenngleich seine Eltern keinerlei politischen oder wirtschaftlichen Einfluss besaßen. Vater Sina Keïta war, wie viele Menschen mit dem Familiennamen Keïta, Jäger. Dies ist in der Weltanschauung der Mandé eine ruhmreiche Betätigung, da sich Jäger fernab der Dörfer nicht nur gefährlichen Tieren, sondern auch unsichtbaren, dunklen Mächten aussetzen und sich mit ihnen gutstellen müssen, um zu überleben. Jäger gelten in der Mandé-Gesellschaft daher als Menschen mit besonderer Aufrichtigkeit.

Keïta wurde als Albino geboren, das bedeutet, seine Haut und Haare sind weiß und sehr sonnenempfindlich. Im Glauben der Mandé zählen Albinos nur teils zur sichtbaren menschlichen Welt, vielmehr werden sie zum gefürchteten Reich der Geister gezählt und bekommen in der traditionellen Mystik der Mandé häufig eine Vermittlerrolle zwischen der sichtbaren Welt der Menschen und der unsichtbaren Welt der Geister. Aufgrund der Angst vor Geistern werden Albinos häufig ausgegrenzt und leben am Rand der Gesellschaft, nicht zuletzt enden Albinos bei gewissen Zeremonien als Menschenopfer. Dazu kommt, dass Albinos aufgrund ihrer Sonnenempfindlichkeit nicht an der Feldarbeit, dem Fischfang oder der Jagd teilnehmen können und somit am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben nicht teilnehmen; häufig gelten sie auch als Schmarotzer.

Aufgrund des hohen Einflusses der erweiterten Keïta-Familie im überschaubaren Djoliba blieben Salif Keïta in seiner Kindheit und Jugend jedoch größere Erniedrigungen erspart. Er besuchte die sechsjährige Grundschule in Djoliba, wechselte danach auf die dreijährige weiterführende Schule im Nachbarort Bankoumana. Gegen Ende der französischen Kolonialherrschaft zählte Djoliba zu den besseren Orten in Mali, es besaß neben einer Schule auch medizinische Versorgung und einen Wochenmarkt. Nach der Unabhängigkeit von Mali wurde Djoliba zum Modellort von US AID. All diese Einrichtungen führten zu einem verstärkten Aufbrechen der starren gesellschaftlichen Strukturen der Mandé und zu höherer sozialer Mobilität.

Die erste Musik, mit denen Salif Keïta in Berührung kam, war die Musik der Jäger, die bei Vater Sina zu Hause gespielt wurde. In der Schule hörte er von seinen Lehrern Gitarrenmusik: Die Lehrer waren in Bamako mit westlicher Musik, damals vor allem von John Lee Hooker, Ray Charles, Jimmy Smith, Wes Montgomery oder Lightnin’ Hopkins, vertraut geworden und hatten gelernt, diese Musik selbst auf der Gitarre zu spielen. Zudem brachten Mandé-Gitarristen aus Guinea, die in Richtung Bamako zogen, neue Unterhaltungsmusik nach Mali. Salif lernte selbst, all diese Musik zu spielen und zeigte damals schon großes Talent.

Musik ist in ganz Westafrika vor allem das Geschäft der Griots oder, wie sie in Mali heißen, der Jeli. Die Jeli bilden eine eigene gesellschaftliche Gruppe, für die gewisse Rollen reserviert sind: So dürfen bei einer Hochzeit nur Jeli aufspielen. Jeli sind meist durch ein Patronageverhältnis an eine einflussreiche und wohlhabende Familie gebunden und lobpreisen diese in ihren Gesängen. Daneben treten sie häufig als Vermittler oder Berater auf. Für ihre Dienste erhalten sie von ihrem Patron Geschenke für ihren Lebensunterhalt. Salif Keïta kam wegen seiner Neigung zur Musik bereits frühzeitig mit seinem Vater in Konflikt. Als Adeliger wäre Salif eigentlich dazu prädestiniert, von einem Jeli gepriesen zu werden. Als Adeliger selbst wie ein Jeli zu singen, stellte und stellt in Mali einen krassen Bruch sozialer Normen dar. Vater Sina Keïta verbot Salif daher, Musik im Jeli-Stil zu spielen, später untersagte er ihm das Singen in seinem Haus komplett.

Bamako

Nach Beendigung der Schule ging Salif Keïta zu Ende der 1960er Jahre nach Bamako, um dort eine Ausbildung für den Lehrerberuf zu durchlaufen. Nicht zuletzt aufgrund seiner Sehschwäche beendete er diese Ausbildung aber nicht. Mit dem Schulabbruch verlor er auch seinen Anspruch auf Unterstützung durch die Regierung, er war damit einer von vielen jungen Leuten, die ohne Bildungsabschluss nach Bamako strömten, um sich Arbeit zu suchen. Die Musik bot ihm einen Ausweg: er verdiente in teils zwielichtigen Bars als Musiker seinen Lebensunterhalt, was eine körperlich wenig anspruchsvolle Arbeit, noch dazu in der Nacht, für ihn war. Zu Anfang der 1970er Jahre etablierten sich einige Adressen mit besserer Reputation, wozu das Buffet de l’Hotel de la Gare oder das Motel de Bamako gehörten. Dort erhielten die Musiker nicht nur moderne Instrumente, sondern auch regelmäßiges Gehalt und höheres Ansehen. Salif Keïta wurde Mitglied der Rail Band, die von der Regierung Malis unterstützt wurde, er wurde Staatsangestellter und Aufnahmen mit seiner Stimme wurden im Radio gespielt.

Nachdem Mali die Unabhängigkeit von Frankreich erlangt hatte und die Föderation mit Senegal aufgelöst worden war, befand sich das Land im politischen Abseits. Es übernahm in der Folge die Kulturpolitik des ebenfalls abseits stehenden Guinea. Kunst und die Künstler sollten im Dienste des neu geschaffenen Nationalstaates stehen, die Traditionen erhalten und weiterentwickeln. Im Gegenzug förderte der Staat Künstler, Orchester, Bands und Plattenfirmen und organisierte Wochen der Jugend (semaines de la jeunesse). Während Guinea in den 1960er und 1970er Jahre Künstler wie Sory Kandia Kouyaté oder Aboubacar Demba Camara vom Bembeya Jazz National hervorbrachte, blieb diese Politik in Mali ohne größere Erfolge. Malische Musiker wurden außerhalb Mali kaum bekannt. Zu den Gründen gehört, dass in der malischen Gesellschaft mit den Jeli nur eine kleine Minderheit als Musiker anerkannt waren.

Auch Salif Keïta musste kämpfen und all seine Willenskraft aufbieten, um im Musikgeschäft Bamakos überleben zu können. Diskriminiert wurde er nicht nur, weil er kein Jeli war, sondern auch aufgrund seines Aussehens, immerhin war er der erste Albino-Sänger des Landes. Der Chef des Buffet de la Gare wollte zunächst Salif Keïta nicht als Sänger in der Rail Band sehen, weil auch er nicht akzeptieren wollte, dass ein Adeliger Loblieder (Fasa) singt. Erst nachdem Salif Keïta einfach zwei Fasa gesungen hatte und das Publikum applaudierte, durfte er auftreten. Sein Einkommen verbesserte sich in der Folge so, dass er sich sogar den Luxus eines Mopeds leisten konnte. Von Auslandsreisen blieb Salif Keïta jedoch ausgeschlossen. Wenn immer die Regierung von Mali Künstler zu Festivals oder Wettbewerben ins Ausland entsandte, wurde Keïta aufgrund seiner Hautfarbe diskriminiert. Nachdem er von Sékou Touré, dem Diktator Guineas, persönlich zur bedeutendsten Musikveranstaltung seines Landes eingeladen worden war, ehrte Keïta ihn im Lied Mandjou – eine Lobpreisung für einen Diktator aus dem Mund eines Adeligen, wieder ein schwerer Bruch sozialer Normen.

Mit der Zeit schwand in Mali, wie auch in anderen afrikanischen Staaten, der Idealismus der Unabhängigkeit und gab Machtpolitik und Opportunismus mehr Raum, speziell nach dem Putsch von 1968. Musiker und Orchester gerieten in Patronageverhältnisse mit Mitgliedern der Regierung oder einflussreichen Militärs. Das Repertoire der Künstler beschränkte sich somit mehr und mehr auf das Lobpreisen der Regierung und ihrer Mitglieder, eigene Gedanken oder gar Kritik war nicht möglich. Salif Keïta musste sich diesem Umstand unterordnen. Doch auch in dieser restriktiven Umgebung vermochte Salif Keïta künstlerisch zu brillieren, zahlreiche seiner Interpretationen von häufig verarbeitetem Material dienen bis heute als Orientierung für junge Sänger. Im Jahre 1973 erhielt Salif Keïta das Angebot, in die Band Les Ambassadeurs zu wechseln, die im Motel de Bamako spielte und im vom Innenministerium mit dem mächtigen Polizeichef Tiécoro Bagayoko patronisiert wurde. Das Straßenbauministerium, das die Rail Band unter ihren Fittichen hatte, protestierte vergeblich. Bei den Ambassadeurs spielte Keïta mit dem ebenfalls sehr bekannten Manfila Kanté, Bagayoko bestimmte, wann und wo die Ambassadeurs auftraten, sogar eine Tournee in Frankreich wurde organisiert. Obwohl die Ambassadeurs über jede Kritik erhaben waren, mussten sie mit den Beschränkungen ihrer künstlerischen Freiheit leben wie alle anderen Bands des Landes.

Im Februar 1978 wurde Bagayoko verhaftet. Die Ambassadeurs, die unter seiner Protektion gestanden hatten, fühlten sich in Mali nicht mehr sicher. Noch im gleichen Jahr verließen sie das Land.

Abidjan

Salif Keïta und die Ambassadeurs wählten als Exil die Elfenbeinküste, wo die wirtschaftsliberale Politik des Präsidenten Félix Houphouët-Boigny gerade zu einem Wirtschaftsaufschwung führte. Das Land war Ziel zahlreicher Migranten aus der Sahel-Zone, speziell in der Hauptstadt war ein Show-Business im Aufstieg. Die Gruppe, die sich nunmehr Les Ambassadeurs Internationaux nannte, stieß deshalb in der damaligen Hauptstadt der Elfenbeinküste, in Abidjan, auf harte Konkurrenz.

Der Stil der Ambassadeurs blieb weitgehend gleich: Auch in Abidjan war die Musik stark durch die Mandé geprägt, sie wurde lediglich um afro-kubanische Rhythmen erweitert. Auch die Zielgruppe waren weiterhin Mandé, sei es Immigranten in der Elfenbeinküste oder das Publikum in Mali. Auch inhaltlich blieb alles beim alten: der Griot-Einfluss blieb entscheidend, es dominierten opportunistische Lobpreisungen von reichen Geschäftsleuten.

Im Jahre 1984 wagte Salif Keïta dann einen Schritt, den zwar mehrere afrikanische Schriftsteller, aber nur sehr wenige Musiker vor ihm getan hatten: Er trennte sich von Manfila Kanté und ging nach Frankreich.

Frankreich

In Frankreich wandelte sich das Schaffen und auch der Auftritt von Salif Keïta grundlegend. Die Trennung von den Ambassadeurs Internationaux und Manfila Kanté, aber auch die neue Umgebung bewirkten einen Anstoß im Wirken des Künstlers: Die Texte und die Themen der Lieder wurden anspruchsvoll und individuell.

Befreit von der Griot-Tradition sah Salif Keïta sich nun in der Tradition der Jäger-Barden. Auf die Bühnen trat er in einem ockerfarbenen Umhang, der mit allerlei mystischen Gegenständen wie Spiegel gegen den bösen Blick, Tierhörnern, Tierschwänzen und -haaren, Giften und Gegengiften behängt war. Er tat dies nicht aus kommerziellen Überlegungen oder um möglichst exotisch zu erscheinen, sondern um sich bewusst von den prächtigen, bunt bestickten Boubous der Jeli abzugrenzen. Als Barde der Jäger ist er in vierlei Hinsicht ein Gegenpol zu den Jeli. Es gelten die Jäger in der Gesellschaft der Mandé bereits als Menschen mit besonderer Aufrichtigkeit, die Barden jedoch gelten als Künstler mit dem höchsten Ansehen. Man spricht ihnen die Fähigkeit zu, die Zeichen der Geister deuten zu können, Meister der Lebensenergie zu sein und somit als Stimme der verborgenen Dinge zu fungieren. Er erforscht die mystische Kraft des Innern, die Essenz der verborgenen Dinge, die in der Kultur der Mandé als wichtiger als die Ethik des Sichtbaren gewertet wird, und bezaubert seine Zuhörer mit moralischer und mystischer Vollkommenheit. Anders als Jeli sind sie keinem Patron verpflichtet, sondern haben nur eine mystische Funktion. Im Gegensatz zu den Jeli, von denen nicht nur guter Gesang, sondern auch gutes Aussehen erwartet wird, werden Menschen mit Behinderung häufig zu Jägerbarden. Nicht zuletzt gibt es keinen Konflikt zwischen einer adeligen Herkunft und der Betätigung als Jägerbarde: ein jeder kann sich als ein solcher betätigen, wenn er sich lange genug mit den mystischen Kräften auseinandersetzt. Salif Keïta nahm sich den bedeutenden blinden Sänger Bala Jima Jakité als Vorbild.

Seine Musik verbindet traditionelle westafrikanische Musikstile mit Einflüssen, die aus Europa und aus Nordamerika stammen. Musikinstrumente, die Keïta in seinen Stücken einsetzt, sind unter anderem Balafon, Djembe, Gitarre, Kora, Orgel, Saxophon und Synthesizer.

Auf seinem Album Sosie interpretiert Keïta französische Chansons mit Mitteln westafrikanischer Stilistik. Salif Keïta widmete ein Lied dem südafrikanischen Freiheitskämpfer und Präsidenten Nelson Mandela.

Keïta ist Vater der Paralympics-Leichtathletin Nantenin Keïta.

Auszeichnungen

  • 1977: Nationalorden Guineas (Officier de l’Ordre National de Guinée), verliehen durch Sékou Touré
  • 2004: Kora Award für sein Lebenswerk
  • 2006: Tamani d’or
  • 2006: Tamani für den besten Künstler

Filmauftritte

  • In dem französischen Film Sirga – Die Löwin (L’Enfant Lion) von 1993 spielt Keïta eine Gastrolle als Magier. Die Filmmusik stammt zum Teil ebenfalls von ihm.
  • Im Jahr 1999 spielte er die biblische Gestalt des Esau im Film La Genése (deutscher Titel: Kains Erben).
  • Im Jahr 2001 wurde Keïtas Lied Tomorrow (Sadio) im Film Ali von Will Smith als Filmmusik verwendet.
  • Im Jahr 2003 hatte Keïta einen Auftritt in der Musikdokumentation Feel Like Going Home von Martin Scorsese. Der Film befasst sich mit den Wurzeln des Blues und sucht diese unter anderem in Afrika.
Quelle: Wikipedia