Serge Gainsbourg [gɛ̃zˈbur] (* 2. April 1928 als Lucien Ginsburg in Paris; † 2. März 1991 ebenda) war ein französischer Chansonnier, Filmschauspieler, Komponist und Schriftsteller. Über seinen Tod hinaus gilt er in Frankreich als einer der einflussreichsten und kreativsten Singer-Songwriter (französisch auteur-compositeur-interprète) seiner Epoche.
Gainsbourg beeinflusste maßgeblich die französische Popmusik, aber auch Kino und Literatur. Er schrieb die Drehbücher und die Filmmusik für mehr als vierzig Filme. Er trat in der Öffentlichkeit häufig provokativ auf und pflegte das Bild des genialen Künstlers.
Gainsbourg wurde als Sohn ukrainisch-jüdischer Immigranten geboren. Sein Vater, Joseph (Iossip) Ginsburg, wurde 1898 in Charkow in der Ukraine (Russisches Kaiserreich) geboren. Er interessierte sich für bildende Kunst und studierte am Konservatorium Klavier. Seine Mutter war die Sängerin Olga Besman, gebürtig von der Krim. 1919 flohen Joseph und Olga Ginsburg vor dem russischen Bolschewismus über Istanbul und Marseille nach Paris. Joseph war Klavierspieler in Bars und Kabaretts. Die Familie wohnte in einfachen Stadtvierteln in Paris, Lucien erhielt von seinem Vater eine klassische Klavierausbildung. Dieser versuchte zudem, seinen Sohn für die Kunstmalerei zu interessieren. Seine Kameraden hänselten Lucien in der Grundschulzeit, indem sie ihn Ginette nannten, weil er schüchtern war und aussah wie ein Mädchen. Bereits 1940 schrieb sich Lucien an der Académie Montmartre ein und nahm unter anderem am Unterricht der beiden Postimpressionisten Charles Camoin und Jean Puy teil. Rückblickend auf seine Kindheit bezeichnete Gainsbourg sich selbst als den „traurigen und strengen Jungen“.
Während der Kriegsjahre und der deutschen Besetzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg zog die Familie aufs Land. Als Jude war auch Gainsbourg gezwungen, den Judenstern zu tragen. Nach dem Krieg kehrte die Familie nach Paris zurück. Im Anschluss an das Abitur schrieb sich Lucien an einer Universität ein, machte aber keinen Abschluss. Der 19-Jährige hatte wenige Freunde, pflegte aber intensiven Kontakt mit einem alten katalanischen Poeten, der in Clichy wohnte und sich Puig i Ferrara nannte. In den Jahren 1948/1949 leistete er seinen Wehrdienst im 93e régiment d’infanterie ab. Etwa zu dieser Zeit lernte Lucien seine erste Frau Elisabeth Levitsky kennen, die für Georges Hugnet als Sekretärin arbeitete und Kontakte zu verschiedenen anderen Künstlern des Surrealismus hatte und Mannequin war. So war es auch Elisabeth, die Lucien Salvador Dalí näherbrachte. Sie heirateten am 3. November 1951 und ließen sich im Oktober 1957 scheiden.
Bis zum Alter von 30 Jahren lebte Gainsbourg von gelegentlichen Aufträgen und Arbeiten. Er gab Unterricht in Zeichnen und Gesang. Seine Hauptbeschäftigung war die Malerei. Er bewunderte Francis Bacon, Fernand Léger und Gustave Courbet. Bei André Lhote und Fernand Léger lernte er malen, mit Salvador Dalí war er befreundet. Erst Boris Vian brachte ihn 1958 von der Malerei ab und führte ihn zum Chanson.
1957 begleitete er die Sängerin Michèle Arnaud auf dem Klavier während mehrerer Auftritte in verschiedenen Pariser Nachtklubs. Die Künstlerin hörte Chansons ihres Begleiters und sang diese während der gemeinsamen Vorstellungen. 1958 nahm sie auch einige seiner Lieder auf Schallplatte auf und war damit die erste Künstlerin von vielen, die Chansons von Gainsbourg interpretierten.
Durch diesen Erfolg bestätigt, komponierte Gainsbourg eine große Anzahl an Chansons sowie eine Revue.
Gainsbourg verfasste Lieder für etliche Sänger und Sängerinnen. 1965 gewann schließlich France Gall mit einer Interpretation seiner Komposition Poupée de cire, poupée de son den Eurovision Song Contest 1965. Dies machte Gainsbourg auch bei den jungen Yéyé-Fans, den französischen Anhängern der Beatmusik, populär und förderte seine Karriere als Interpret, da er sich ab 1966 zunehmend auf Popmusik verlegte und so einem breiteren, vor allem aber jüngeren Publikum gefiel.
Seinen größten Erfolg als Interpret hatte er im Duett mit Jane Birkin, mit der er 1969 sein Lied Je t’aime… moi non plus veröffentlichte. Je t’aime… wurde ein weltweiter Hit und empörte Moralisten bis hin zur vatikanischen Zeitung Osservatore Romano, welche das Lied und das darauf deutlich zu hörende lustvolle Gestöhne als „beschämende Obszönität“ bezeichneten. Den Titel hatte Gainsbourg zuvor mit Brigitte Bardot aufgenommen. Das Werk wurde jedoch nicht veröffentlicht, da Bardot mit Rücksicht auf ihre Ehe mit Gunter Sachs das Lied als zu gewagt empfand und Gainsbourg bat, es nicht herauszubringen. Erst 1986 gab sie ihr Einverständnis, die Aufnahme zu veröffentlichen.
Die Popularität und der Erfolg, die der Skandal um Je t’aime… mit sich brachte, veranlassten Gainsbourg 1971 dazu, mit La décadanse ein weiteres erotisches Lied herauszubringen, abermals im Duett mit Jane Birkin gesungen.
Im Konzeptalbum Histoire de Melody Nelson erzählt Serge Gainsbourg die Geschichte der 15-jährigen Melody, gespielt und gesungen von Jane Birkin, die von einem Mann, Serge Gainsbourg, im Rolls-Royce angefahren wird (Ballade de Melody Nelson). Er verliebt sich in das junge Mädchen (Valse de Melody), verbringt mit ihr seine schönste Zeit (L’Hôtel particulier) und verliert sie schließlich bei einem Flugzeugabsturz (Cargo culte). Das nicht einmal 28 Minuten lange Album, das Gainsbourg zusammen mit dem Musiker und Arrangeur Jean-Claude Vannier komponierte, wurde vollständig verfilmt.
Nach einem Herzinfarkt 1973 brachte Gainsbourg weitere Konzeptalben heraus. 1975 erschien Rock around the bunker, wo er sich mit der Besetzung Frankreichs durch die Deutschen im Zweiten Weltkrieg, seiner jüdischen Herkunft und seinen Erfahrungen mit der SS auseinandersetzte. 1976 folgte mit L’Homme à tête de chou eine surrealistische Liebesgeschichte, in der die Frau schließlich getötet wird, während ihr Liebhaber und Mörder in einer geschlossenen Anstalt endet.
Musikalisch neue Wege beschritt Gainsbourg 1979 mit seiner Hinwendung zum Reggae. Mit Musikern der Band Black Uhuru und Bob Marleys Begleitsängerinnen, den I-Threes, nahm er in Kingston (Jamaika) das Album Aux armes et cætera auf. Als Skandal empfanden viele Franzosen dabei seine Reggaeversion ihrer Nationalhymne La Marseillaise, die er 1979 als Single Aux armes et cætera veröffentlichte.
Ebenfalls 1979 ging Serge Gainsbourg erstmals seit 1963 wieder auf Tour, um seine Lieder live zu präsentieren. Berühmtheit erlangte sein Auftritt in Straßburg 1980, bei dem zahlreiche Fallschirmjäger der französischen Armee ihn davon abhalten wollten, die Marseillaise als Reggae zu spielen. Gainsbourg trat ohne seine Musiker auf die Bühne und sang mit dem Publikum a cappella das Original. 1985 und 1988 folgten weitere Tourneen.
Ab Ende der 1970er Jahre schuf und perfektionierte Gainsbourg sein Alter Ego Gainsbarre, den Raucher und Trinker, den er in seinem Lied Ecce Homo beschrieb. Er war der Gegenpart des zeitlebens von Selbstzweifeln geprägten Gainsbourg. Gainsbarre ergriff jedoch im Laufe der 1980er Jahre zunehmend Besitz von Gainsbourg, der nun mehrfach wegen der Folgen seines Alkoholismus im Krankenhaus behandelt werden musste.
Von Oktober 2008 bis März 2009 widmete die Pariser Cité de la musique Gainsbourg eine große Ausstellung, in der erstmals auch Stücke aus dem Privatbesitz seiner Tochter Charlotte Gainsbourg zu sehen waren, darunter u. a. das Manuskript der Marseillaise, das Serge Gainsbourg 1981 ersteigert hatte, sowie die Plastik L’Homme à tête de chou, die ihn zu seinem Album inspiriert hatte.
Gainsbourg begann als Begleitmusiker, wobei er Klavier und Gitarre spielte. Die erste Veröffentlichung unter seinem Namen brachte er 1958 unter dem Titel Du chant à la une !… heraus. Das Album war kein großer kommerzieller Erfolg, enthielt jedoch den Hit Le poinçonneur des Lilas, in dem es um einen Fahrkartenabknipser der Pariser Metro geht. In der Folgezeit war Gainsbourg vor allem als Komponist und Texter gefragt, weniger als Interpret. Vor allem seine Komposition La javanaise – gesungen von Juliette Gréco und später auch von ihm selbst – machte eine breite Öffentlichkeit auf ihn aufmerksam und wurde einer seiner bekanntesten Titel. Seine sehr vom Jazz beeinflusste Phase der frühen 1960er Jahre fand ihren Höhepunkt und ihren Schluss in dem Album Gainsbourg confidentiel (1963). 1964 brachte er auf Gainsbourg percussions teils afrikanische Rhythmen, u. a. das vielfach gecoverte Stück Couleur café. Dieses Album ist stark von Babatunde Olatunjis LP Drums of Passion (1959) beeinflusst; zwei Stücke, Joanna und New York – U.S.A., sind ohne Quellennennung, wenn auch mit neuem französischem Text, von Olatunji übernommen worden. Seinen Durchbruch als Interpret markierte das Pop-Album Initials B.B. (1968), auf dem neben dem gleichnamigen Hit auch Bonnie and Clyde, ein Duett mit Brigitte Bardot, sowie das verspielte Comic Strip zu hören sind. Hier kam auch seine Vorliebe für klassische Musik zum Tragen. Das Lied Initials B.B. beruht im Refrain auf einer Passage aus Antonín Dvořáks Sinfonie Nr. 9 Aus der Neuen Welt.
Es gelang Serge Gainsbourg bis zum Ende seines Lebens immer wieder, die unterschiedlichsten musikalischen Stile und Richtungen kreativ einzubinden und weiterzuentwickeln. Neben der Klassik, z. B. in dem gemeinsam mit seiner Tochter Charlotte gesungenen Stück Lemon Incest (1984), das auf einer Étude von Chopin beruht, brachte Gainsbourg Jazz-, z. B. Gainsbourg confidentiel (1964), Pop-, z. B. Jane Birkin Serge Gainsbourg (1969), Reggae-, z. B. Aux armes et cætera (1979) und Mauvaises nouvelles des étoiles (1981), und Rock-Alben, z. B. Rock Around The Bunker (1975), „klassische“ französische Chansons, z. B. La javanaise (1963), Disco-Songs, z. B. Sea Sex and Sun (1978), Konzeptalben wie Histoire de Melody Nelson (1971) und L’Homme à tête de chou (1976) sowie zahlreiche erotische bis erotisch-aggressive Lieder, z. B. Je t’aime… moi non plus (1969), La décadanse (1971) und Love on the Beat (1984), heraus. Sein musikalischer Stil lässt sich daher nicht eingrenzen. Gemeinsam sind all seinen Liedern jedoch enorm ausdrucksstarke Texte, die sich oft durch meisterhafte Wort- und Lautspiele, eindringliche Bilder, unerwartete Wendungen und teilweise provokante Äußerungen auszeichnen.
Zahlreiche Lieder Gainsbourgs behandeln den Tod von Frauen. In Cargo Culte (1971) bringen südamerikanische Ureinwohner mit kultischen Handlungen ein Flugzeug zum Absturz, in welchem die Geliebte umkommt, La noyée (1972) behandelt genau wie Sorry Angel (1984) den Selbstmord, wobei die (Mit-)Schuld des Erzähler-Ichs in La noyée implizit, in Sorry Angel ganz explizit thematisiert wird. In den Liedern Meurtre à l’extincteur und Marilou sous la neige vom Album L’Homme à tête de chou (1976) wird die Frau schließlich von ihrem eifersüchtigen Geliebten mit dem Feuerlöscher, wie schon der Titel des erstgenannten Liedes sagt, ermordet.
Gainsbourg spielte in zahlreichen Filmen mit, die von sehr unterschiedlicher Qualität sind. Mit Jane Birkin spielte Gainsbourg 1969 in dem Film Slogan von Pierre Grimblat, weitere gemeinsame Filme wie Cannabis (dt. Engel der Gewalt) folgten. Letzterer war ganz auf das „Traumpaar“ Birkin/Gainsbourg zugeschnitten. Interessanter als solche Auftritte sind seine eigenen Regiearbeiten und vor allem seine Filmmusik-Kompositionen. Seine Filme Je t’aime (1976) und auch Charlotte forever (1986) tragen starke autobiografische Züge und sind – obwohl sie alles andere als kommerzielle Erfolge waren – Meisterwerke des französischen Kunstkinos, die sich bei aller inhaltlichen Diskussionswürdigkeit vor allem durch ihre ästhetische Gestaltung auszeichnen.
Erfolg hatte Gainsbourg seit 1960 als Komponist von Filmmusik. Zwischen 1960 und 1985 steuerte er zu 27 Filmen den Soundtrack bei. Zahlreiche seiner bekanntesten Titel stammen aus Filmen, so L’Eau à la bouche (1960) aus dem gleichnamigen Film, Ne dis rien (1968) im Duett mit Anna Karina aus dem Film Anna, Requiem pour un con (1967) aus dem Film Le Pacha mit Jean Gabin sowie Manon (1968) aus dem Film Manon 70.
Eine repräsentative Auswahl aus Gainsbourgs Schaffen als Filmkomponist liegt seit 2001 mit der 3-CD-Box Le Cinéma de Gainsbourg vor.
Im Jahr 2010 kam der Spielfilm Gainsbourg – Der Mann, der die Frauen liebte (Originaltitel: Gainsbourg (vie héroïque)) von Joann Sfar in die Kinos. Dieser folgt weitgehend dem Leben Gainsbourgs, ohne Anspruch auf ein reales Porträt des Künstlers zu erheben, und wartet mit zahlreichen surrealistischen Elementen auf. Die Titelrolle übernahm der französische Schauspieler Éric Elmosnino, der für seine Darstellung den französischen Filmpreis César gewann. In weiteren Rollen sind Lucy Gordon als Jane Birkin, Laetitia Casta als Brigitte Bardot und Anna Mouglalis als Juliette Gréco zu sehen.
Serge Gainsbourg, dem zahlreiche Beziehungen zu Frauen des französischen Showgeschäfts nachgesagt wurden, war zweimal verheiratet und hatte insgesamt vier Kinder mit drei verschiedenen Frauen.
1951 heiratete Serge Gainsbourg Elisabeth Levitsky, die Tochter eines emigrierten russischen Aristokraten. Die Ehe hielt bis 1957 und blieb kinderlos.
1964 heiratete Gainsbourg Françoise-Antoinette Pancrazzi, genannt Béatrice. Aus dieser Beziehung stammen seine Tochter Natacha (* 1964) und sein Sohn Paul (* 1968), wobei Paul mehr als zwei Jahre nach der Scheidung der Eltern geboren wurde.
1968 lernte Gainsbourg die englische Schauspielerin Jane Birkin kennen. Sie wurden 1969 ein Paar und lebten bis 1980 zusammen. Ihre gemeinsame Tochter Charlotte Gainsbourg wurde 1971 geboren und wuchs mit Kate Barry, Birkins Tochter aus erster Ehe mit dem Komponisten John Barry, auf.
Sein letztgeborener Sohn, Lucien Gainsbourg, genannt Lulu, kam 1986 auf die Welt. Seine Mutter ist die französische Sängerin Bambou (eigentlich Caroline Paulus, eine Großnichte des Generalfeldmarschalls Friedrich Paulus).
Gainsbourg, der zeitlebens starker Raucher war und in seinen letzten Lebensjahren Auftritte oft alkoholisiert absolvierte, starb am 2. März 1991 an einem Herzinfarkt. Er wurde unter großer öffentlicher Anteilnahme auf dem Friedhof Montparnasse in Paris neben seinen Eltern beigesetzt. Sein Grab zählt zu den meistbesuchten und wird regelmäßig mit Blumen, Gedichten und Bildern geschmückt. Seine Fans dekorieren das Grab auch mit Zigaretten, vorzugsweise Gainsbourgs Lieblingsmarke Gitanes ohne Filter, Métro-Fahrkarten in Anspielung auf sein Lied Le poinçonneur des Lilas und Whisky-Gläsern.
Silberne Schallplatte
Goldene Schallplatte
2× Goldene Schallplatte
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Platin-Schallplatte
2× Platin-Schallplatte
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Anmerkung: Auszeichnungen in Ländern aus den Charttabellen bzw. Chartboxen sind in ebendiesen zu finden.