Stephen „Stevie“ Ray Vaughan (* 3. Oktober 1954 in Dallas, Texas; † 27. August 1990 in East Troy, Wisconsin), auch bekannt unter dem Kürzel SRV, war ein US-amerikanischer Blues- und Bluesrock-Gitarrist bzw. -Musiker, der in einer Reihe mit einflussreichen Gitarristen wie Jimi Hendrix oder Eric Clapton genannt wird. So setzte ihn etwa das angesehene Musikmagazin Rolling Stone auf Rang 12 der besten Gitarristen der Musikgeschichte. Er war maßgeblich daran beteiligt, dass in den 1980er Jahren (und weit darüber hinaus) das Interesse für den Blues wieder geweckt worden ist.
Stevie Ray Vaughan wurde als zweiter Sohn von Martha und Jimmie Lee Vaughan in Dallas, Texas geboren und begann 1963 unter dem Einfluss seines älteren Bruders Jimmie wie dieser ebenfalls Gitarre zu spielen. Mit 17 Jahren brach Vaughan die Schule ab und übersiedelte im Frühjahr 1972 mit seiner Band Blackbird nach Austin, Texas, wo sein Bruder bereits seit 1969 lebte. In Austin war neben der Country- auch eine Bluesszene entstanden, in der beide Vaughan-Brüder aktiv waren, Stevie zunächst mit seiner Band Blackbird und dann in den lokalen Bands Crackerjack, Nightcrawlers und Cobras. 1977 gründete Vaughan mit W.C. Clark und Sängerin Lou Ann Barton die Band Triple Threat Revue, aus der 1979 die Nachfolgeband Double Trouble hervorging. 1982 spielte Double Trouble (nun in der Besetzung Tommy Shannon – b, Chris Layton – dr) bei einer privaten Party der Rolling Stones im Club Danceteria in New York. 1982 wurde Vaughan eingeladen, auf dem Jazz-Festival in Montreux zu spielen, wodurch er letztlich seinen ersten Durchbruch erreichte. Jerry Wexler war für diesen Schritt verantwortlich, der die Band in einem Club in Austin, Texas gehört hatte. David Bowie hörte ihn in Montreux erstmals und engagierte ihn für sein 1983er Album Let’s Dance sowie für die Tournee Serious Moonlight. Jedoch verließ Vaughan die Tourband schon während der Proben für die Tour, wohl um sich eigenen Projekten zu widmen.
Jackson Browne hatte Stevie ebenfalls in Montreux gehört und ihm angeboten, bei Gelegenheit sein Aufnahmestudio kostenlos nutzen zu dürfen. Dort nahmen Vaughan und Double Trouble im November 1982 in wenigen Tagen ihr erstes Album Texas Flood auf. John Hammond, der maßgeblich an der Entdeckung u. a. von Charlie Christian, Billie Holiday, Aretha Franklin und Bob Dylan beteiligt gewesen war, hörte Live-Aufnahmen der Band und verschaffte ihr den ersten Plattenvertrag bei Epic. Das Album Texas Flood verkaufte sich gut. Das zweite Album Couldn’t Stand the Weather (1984) war sogar noch erfolgreicher. 1985 kam Keyboardspieler Reese Wynans zum Lineup der Band hinzu, mit dem das dritte Album aufgenommen wurde, Soul To Soul. Vaughans Drogen- und Alkoholkonsum wurde mit seinem zunehmenden Erfolg immer exzessiver. 1986 musste eine Tournee nach einem Zusammenbruch Vaughans in Deutschland vorzeitig abgebrochen werden. Im selben Jahr erschien dennoch das Doppel-Live-Album Live Alive. Dem Entzug folgte das fünfte Album In Step, das Vaughans Aussagen zufolge das erste Album war, das ohne den Einfluss von Drogen zustande kam. Für In Step erhielt Vaughan einen Grammy. Mit „In Step“ sind die Stufen (engl. Steps) gemeint, die nötig sind, um die Sucht zu überwinden. Die Veröffentlichung des Albums Family Style mit seinem Bruder Jimmie Vaughan erlebte er nicht mehr. Das Album The Sky Is Crying wurde von Jimmie Vaughan aus Aufnahmen verschiedener Perioden zusammengestellt.
Sein Stil war geprägt durch Einflüsse schwarzer Bluesmusiker, besonders durch Albert King, aber auch durch zwei weitere „Kings“: Durch B. B. King und den ebenfalls wie Vaughan aus Texas stammenden Freddie King. Außerdem nennt Vaughan den Texaner Albert Collins sowie Otis Rush und Buddy Guy als Quellen seiner Inspiration. Zu seinen frühesten Einflüssen zählen der weiße Rockgitarrist Lonnie Mack, der in den 1960er Jahren einige Instrumentalhits wie z. B. Memphis oder Wham! in den amerikanischen Hitparaden platzieren konnte und dessen Titel Chicken Pickin’ Vaughan zu seinen eigenen Scuttle-Buttin’ inspirierte, ebenso wie Stevies älterer Bruder Jimmie Vaughan. Er zählte auch Jazzgitarristen wie Kenny Burrell und Wes Montgomery zu seinen Einflüssen. Doch neben Albert King war wohl Jimi Hendrix sein wichtigstes Vorbild, den Stevie Ray Vaughan selbst als seinen größten Einfluss bezeichnete.
Vaughan arbeitete fast ausschließlich mit traditionellem Rock’n’Roll-Equipment der 1950er und frühen 1960er Jahre, erweitert um die „psychedelischen“ (analogen) Effekte der Hendrix-Ära. Sein unverwechselbarer, zugleich klarer und „fetter“ Ton war geprägt von übersteuerten alten Fender-Röhrenverstärkern und Gitarren mit Single Coil Tonabnehmern. Im Zusammenhang mit den dicken Gitarrensaiten, die er aufzog und die er – wie vor ihm Jimi Hendrix – tiefer stimmte, ermöglichte ihm dies ein extrem dynamisches, ausdrucksstarkes Spiel, das bei allen Graden der Verzerrung immer noch „akustische“ Qualitäten hatte. Er spielte mit seiner (bis auf reine Solopassagen) eher wenig verzerrten Gitarre einen hart angeschlagenen Mix aus Solo und Rhythmus, kombinierte durchgeschlagene Akkorde mit komplexen, technisch anspruchsvollen Läufen, wechselte manchmal taktweise zwischen beiden hin und her. Charakteristisch für sein Solospiel sind an B.B. King und vor allem an Albert King orientierte starke bendings (aus der ursprünglichen Stimmung gezogene Saiten), die mit teils minimalen, fein abgestuften Tonhöhenverschiebungen dramatische Effekte erzielen. Aus einem begrenzten Vokabular an Bluesphrasierungen schuf er scheinbar mühelos beliebig viele Variationen, was ihm die Anerkennung und Bewunderung zahlreicher, gerade auch afroamerikanischer, Bluesgrößen einbrachte, auf deren Urteil und Anerkennung er besonders viel Wert legte. Er selbst nannte seine Musik lieber Rhythm&Blues als Bluesrock, war stets um einen „schwarzen“ Sound und Musikstil bemüht und bekannte sich stets auch ausdrücklich zu seinen afroamerikanischen Vorbildern.
Zu einer Zeit, in der digitale Synthesizer und Drummachines in, längere Gitarrensoli dagegen out waren, bedeutete Vaughans Musikstil eine Rückkehr zum Ursprung, zum Blues. Damit wurde Vaughan zum Initiator des Blues-Revivals der 1980er Jahre. Ganze Generationen von Gitarristen haben sich in seiner Folge wieder bluesorientierten Spielweisen und Sounds zugewendet (u. a. Kenny Wayne Shepherd, John Mayer, Philip Sayce).
Wie sein Stil widersprach auch Vaughans Equipment dem in den frühen 1980er Jahren üblichen Trend: Seine Standardgitarre war eine abgenutzte Fender Stratocaster, genannt Number One. Stevie sah die Gitarre 1973 in Ray Hennig’s Heart Of Texas Music Shop in Austin, Texas. Nach eigener Aussage wusste er, noch ehe er sie Probe gespielt hatte, dass er sie gegen seine 1963er Stratocaster eintauschen wollte, die er 1969 gekauft hatte. „Number One“ hatte zuvor Christopher Cross gehört. Abgesehen von der starken Abnutzung des Finish, die durch Vaughans speziellen Einsatz seiner Hauptgitarre während seiner Liveshows immer extremer wurde, zeichnete sich die Gitarre durch ein kräftiges Halsprofil und ein eher dunkles Timbre aus. Das Griffbrett aus gewölbt aufgeleimtem Palisander (veneer) war nachträglich mit den höchsten verfügbaren Jumbo-Frets ausgestattet worden. Die Gitarre hatte in Vaughans Setup eine sehr hohe Saitenlage, um bei jedem Ton freies Ausklingen der Saiten zu ermöglichen. Laut Fender Custom Shop ist der Hals von 1962 und der Body von 1963. Die Pickups tragen auf der Rückseite ein handgeschriebenes Datum von 1959. Deshalb bezeichnete Stevie seine „Number-One“-Gitarre in Interviews auch regelmäßig als eine 1959er Fender Stratocaster. Weitere Modifikationen bestanden in der Installation eines Fünfwegschalters für die Pickupwahl (anstelle des ursprünglichen Dreiwegschalters), eines schwarzen Schlagbretts anstelle des weißen, vergoldeter Hardware anstelle der verchromten / vernickelten, sowie eines Linkshändervibratos, das Vaughan einbaute, obwohl er rechtshändig spielte. Rene Martinez, Vaughans Gitarrentechniker ab 1985, baute außerdem eine zuschaltbare Luftspule (dummy coil) ein, die dazu diente, das für Single Coil Tonabnehmer typische Einstreubrummen zu unterdrücken. „Number One“ war nach etlichen Reparaturen sowie einem Unfall infolge eines herabstürzenden Bühnenteils kurz vor Vaughans Tod im Juli 1990 auf seine Bitte noch einmal von Rene Martinez mit einem neuen Hals versehen worden. Die Gitarre befindet sich jetzt (wieder mit dem ursprünglichen Hals) im Besitz seines Bruders, Jimmie Vaughan. Seit 1992 wird von der Firma Fender eine an „Number One“ angelehnte Signature-Stratocaster produziert (s. Abbildung), deren Prototyp Stevie Ray Vaughan selbst 1990 noch gespielt hat. Dieses Gitarrenmodell gehört zu den gut verkauften Fender-Modellen innerhalb der Signature-Reihe.
Stevie spielte in der Frühzeit von Double Trouble meist zwei Fender Vibroverbs mit jeweils einem 15-Zoll-Lautsprecher sowie einen Marshall 4140 Club and Country 2×12 Verstärker mit 100 Watt für unverzerrte Sounds. Später benutzte er zusätzlich zu den Vibroverbs zwei Fender Super Reverbs mit jeweils vier 10-Zoll-Lautsprechern. In seinem Bühnensetup lief ein Vibroverb über ein Fender Vibratone (Lautsprecher mit rotierender Trommel nach Art eines Leslie Cabinets). Für das Album Texas Flood nutzte Vaughan allerdings vornehmlich den Dumble-Amp von Jackson Browne, in dessen Studio diese LP aufgenommen wurde. Von da an gehörten neben den Super Reverbs und Vibroverbs auch ein bis zwei Dumble Verstärker sowie ein Marshall Major 200W Verstärker (jeweils mit einer Dumble 4x12 Box) zu seinem Live-Equipment. Kurz vor seinem Tod stand er laut der Zeitschrift Guitar Player mit Michael Soldano in Verbindung, um einen Soldano SLO-100 Amp in sein Setup aufzunehmen.
Vor den Verstärkern benutzte er in der Regel die folgenden Bodeneffekte: ein Wahwahpedal (meist ein Vox Wah aus den 1960ern), ein oder zwei Ibanez Tubescreamer (jeweils das aktuelle Modell: TS 808, später TS 9, zuletzt TS 10 classic.) Später kamen regelmäßig noch ein Fuzz Face (von Dallas Arbiter) und ein Octavia (von Roger Mayer oder Tycobrahe) hinzu. Zeitweise setzte er auch ein Univox Uni-Vibe mit angeschlossenem Expression Pedal ein.
Am 27. August 1990 kam Stevie Ray Vaughan um 0:40 Uhr bei einem Hubschrauberabsturz mit einer Bell 206 auf dem Weg nach Chicago ums Leben. Nach einem gemeinsamen Konzert mit Jimmie Vaughan, Robert Cray, Buddy Guy und Eric Clapton auf Claptons Journeyman World Tour im Alpine Valley Music Theatre in East Troy, Wisconsin, bestieg er kurz entschlossen den Hubschrauber, in dem noch ein Platz frei war. Dieser stürzte kurz nach dem Start in hügeligem Gelände ab, wobei Nebel eine Rolle spielte. Neben Vaughan starben bei diesem Unglück auch der Pilot und drei Crewmitglieder von Clapton.
1991 wurde der 3. Oktober für den Staat Texas zum "Stevie Ray Vaughan Day" erklärt. 1994 hat die Stadt Austin, Texas, eine Stevie Ray Vaughan Memorial Statue im Auditorium Shores Park am Lady Bird Lake aufstellen lassen. Vaughan wurde im Jahr 2000 in die Blues Hall of Fame aufgenommen. Die Leser der Zeitschrift Guitar World wählten Vaughan auf den 8. Platz einer Liste der 100 besten Gitarristen., die Zeitschrift Rolling Stone sieht ihn auf Platz zwölf der 100 besten Gitarristen aller Zeiten. Auf einer Liste des Magazins aus dem Jahr 2003 hatte er Rang sieben belegt. 2014 wurden Vaughan und Double Trouble in die Musicians Hall of Fame aufgenommen. Im April 2015 ist SRV in die Rock'n'Roll Hall of Fame aufgenommen worden. Vaughan hat insgesamt 6 Grammy Awards sowie 10 Austin Music Awards gewonnen. Fünf mal gewann er einen W. C. Handy Award. 1984 war er nominiert als "Best Contemporary Blues Male Artist," und im selben Jahr wurden ihm die Auszeichnungen "Entertainer of the Year" und "Instrumentalist of the Year" (1984 und 1985) zugesprochen. Im Jahr 2000 folgten die Auszeichnungen "Blues Album of the Year" und "Contemporary Blues Album of the Year" für die posthum veröffentlichte CD/DVD "In Session" (mit Albert King).
Anmerkung: Auszeichnungen in Ländern aus den Charttabellen bzw. Chartboxen sind in ebendiesen zu finden.