Walter Scheel (* 8. Juli 1919 in Höhscheid; † 24. August 2016 in Bad Krozingen) war ein deutscher Politiker der FDP. Er war von 1974 bis 1979 der vierte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland.
Davor war er von 1961 bis 1966 in Koalitionsregierungen mit der CDU in den letzten zwei Kabinetten Konrad Adenauers (dem vierten und fünften Kabinett Adenauer) sowie unter Bundeskanzler Ludwig Erhard Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Von 1969 bis 1974 war er in der ersten und zweiten sozialliberalen Bundesregierung Bundesminister des Auswärtigen und Vizekanzler. Nach dem Rücktritt von Willy Brandt agierte er vom 7. bis zum 16. Mai 1974 als geschäftsführender Bundeskanzler.
Walter Scheel kam als Sohn eines Stellmachers in Höhscheid zur Welt; Grundlage seiner Erziehung in der Familie war die evangelische Konfession. Nach dem Abitur am Solinger Gymnasium Schwertstraße absolvierte er von 1938 bis 1939 eine Banklehre bei der Volksbank Solingen, die er mit „Gut“ abschloss. Ab 3. September 1939 diente er im Nachtjagdgeschwader 1 (III. Gruppe) der Luftwaffe als Adjutant von Martin Drewes und war bei Kriegsende Oberleutnant. Er erhielt das Eiserne Kreuz I. und II. Klasse. Nach 1945 war er bis 1953 als Geschäftsführer in der Industrie und in verschiedenen Verbänden tätig. Danach arbeitete er als selbständiger Wirtschaftsberater in Düsseldorf. 1958 wurde er Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts Intermarket. Im gleichen Jahr gründete er zusammen mit Gerhard Kienbaum und Carl Zimmerer das Düsseldorfer M&A-Unternehmen InterFinanz, das er zusammen mit Carl Zimmerer bis Ende 1961 führte. Seine Gesellschaftsanteile (42 %) veräußerte er 1964 an die Mitgesellschafter.
Scheel war 24 Jahre lang mit Eva Charlotte Scheel geb. Kronenberg (* 1921) verheiratet, die 1966 an Krebs starb. Aus dieser Ehe ging der Sohn Ulrich hervor. Von 1969 bis zu ihrem Tod 1985 war Walter Scheel mit der Ärztin Mildred Scheel, geb. Wirtz, verheiratet. Sie brachte ihre Tochter Cornelia Scheel mit in die Ehe. Aus dieser Ehe ging 1970 Andrea-Gwendoline hervor; der Sohn Simon Martin wurde 1971 aus Bolivien adoptiert.
1988 heiratete Scheel die Physiotherapeutin Barbara Wiese. Das Ehepaar lebte von 2001 bis 2008 in Berlin und zog Anfang 2009 nach Bad Krozingen. Wegen einer Demenzerkrankung lebte Walter Scheel ab 2012 in einem Pflegeheim. Er starb am 24. August 2016 im Alter von 97 Jahren und wurde auf dem Waldfriedhof Zehlendorf in Berlin beigesetzt.
Am 13. November 1978 berichtete der Spiegel, Walter Scheel habe erklärt, dass er im Dezember 1942 an der Front die Mitteilung über seine Aufnahme in die NSDAP erhalten hätte, obwohl er keinen Aufnahmeantrag gestellt habe. Laut einem Artikel in der Zeit vom 17. November 1978 ließ Scheel dann mitteilen, dass er nicht mehr wisse, ob er einen Antrag gestellt habe, seine Mitgliedschaft aber geruht habe. Eine NSDAP-Mitgliedschaft bestritt Scheel im Weiteren mit dem Argument, ein Soldat der Wehrmacht habe kein NSDAP-Mitglied sein dürfen, zuletzt in einem Interview im Jahre 2010. Die Unabhängige Historikerkommission – Auswärtiges Amt kritisiert in ihrem im Oktober 2010 publizierten Forschungsbericht, dass Scheel seine NSDAP-Mitgliedschaft erst Jahre nach seinem Amtsantritt als Außenminister eingeräumt habe. 1970 habe der damalige Außenminister eine umfassende Darstellung zur Geschichte des Auswärtigen Amtes angekündigt, die auch das Handeln des Amtes im Nationalsozialismus thematisieren sollte, diese aber sei nie geschrieben worden. Eine solche – wenn auch umstrittene – Darstellung erschien erst 2010, nachdem Jahre zuvor Joschka Fischer, Außenminister von 1998 bis 2005, eine unabhängige Expertenkommission eingesetzt hatte.
Seit 1946 war Walter Scheel Mitglied der FDP. Von 1954 bis 1974 saß er im FDP-Landesvorstand in Nordrhein-Westfalen, davon etliche Jahre als Landesschatzmeister. 1956 wurde er erstmals in den FDP-Bundesvorstand gewählt, in dem er ebenfalls bis 1974, teilweise kraft seines Amtes als Bundesminister (Deutschland), verblieb. Im selben Jahr (1956) gehörte er (u. a. mit Willi Weyer, Hans Wolfgang Rubin und Wolfgang Döring) zu den sogenannten Jungtürken, die den Koalitionswechsel der FDP in Nordrhein-Westfalen von der CDU zur SPD einleiteten und damit die Abspaltung der Euler-Gruppe und die Gründung der kurzlebigen Freien Volkspartei (FVP) provozierten. 1968 wurde er als Nachfolger von Erich Mende zum Bundesvorsitzenden der FDP gewählt. Anfang der 1970er Jahre gehörte er mit Werner Maihofer und Karl-Hermann Flach zu den Autoren der Freiburger Thesen, des neuen Grundsatzprogramms der FDP. Mit seiner Wahl zum Bundespräsidenten 1974 legte er alle Parteiämter nieder. Nach dem Ende seiner Amtszeit als Bundespräsident wurde er 1980 zum Ehrenvorsitzenden der FDP ernannt. Von 1968 bis 1974 war er Vizepräsident der „Liberalen Weltunion“ (Vorgänger der Liberalen Internationale).
Von 1948 bis 1950 war Scheel Stadtrat in seiner Heimatstadt Solingen. Von 1950 bis 1954 war er Mitglied des Landtages von Nordrhein-Westfalen als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Remscheid. 1953 wurde er Mitglied des Deutschen Bundestages, dem er bis zum 27. Juni 1974 angehörte, da er sein Bundestagsmandat nach seiner im Mai erfolgten Wahl zum Bundespräsidenten vier Tage vor Amtsantritt niederlegte. Von 1967 bis 1969 war er Vizepräsident des Deutschen Bundestages.
Vom 1. Juli 1956 bis 20. November 1961 war er außerdem Mitglied des Europäischen Parlamentes. Hier arbeitete er von 1959 bis 1962 als Vorsitzender des Ausschusses für Fragen der Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete und wirkte seit 1958 als stellvertretender Vorsitzender der liberalen Fraktion.
Nach der Bundestagswahl 1961 wurde Scheel am 14. November 1961 im Kabinett Adenauer IV zum ersten Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit ernannt. Am 19. November 1962 trat er anlässlich der Spiegel-Affäre zusammen mit den anderen FDP-Bundesministern aus Protest zurück. Dem daraufhin am 13. Dezember 1962 ohne den umstrittenen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß gebildeten Kabinett gehörte er dann aber mit gleicher Funktion wieder an. Er behielt dieses Amt auch in der von Bundeskanzler Ludwig Erhard geführten Bundesregierung. Wegen eines Streits über den Bundeshaushalt trat er am 28. Oktober 1966 gemeinsam mit den anderen FDP-Bundesministern von seinem Amt zurück.
Nach der Bundestagswahl 1969 wirkte er maßgeblich auf die Bildung einer sozialliberalen Bundesregierung hin und wurde im Kabinett von Willy Brandt am 22. Oktober 1969 zum Vizekanzler und zum Bundesminister des Auswärtigen ernannt. 1970 besuchte Walter Scheel als erster deutscher Außenminister Israel, das 1965 diplomatisch anerkannt worden war. Scheel gilt gemeinsam mit Willy Brandt als „Vater der Entspannungspolitik“ und der neuen Deutschlandpolitik, die zunächst von den Unionsparteien scharf bekämpft wurde und auch zu Fraktionsaustritten bei den Regierungsparteien SPD und FDP führte, so dass diesen zeitweilig die Mehrheit im Deutschen Bundestag verloren ging. Die Neuwahlen 1972 stärkten sowohl die SPD als auch die Positionen Walters Scheels in der FDP und bewiesen die hohe Akzeptanz der sozialliberalen Politik. Sehr große Bekanntheit erlangte Walter Scheel 1973, indem er zugunsten der Behindertenhilfsorganisation Aktion Sorgenkind das deutsche Volkslied „Hoch auf dem gelben Wagen“ auf Schallplatte sang. Allein bis zum Frühjahr 1974 wurde die Platte über 300.000 Mal verkauft. Auch noch während seiner später folgenden Amtszeit als Bundespräsident erlangte er mit dieser Art der ungewöhnlichen und gemeinnützigen Spendenwerbung hohe Popularität.
Nach dem Rücktritt von Bundeskanzler Brandt am 7. Mai 1974 nahm Scheel auf Ersuchen des Bundespräsidenten gemäß Art. 69 Abs. 3 Grundgesetz die Amtsgeschäfte des Bundeskanzlers übergangsweise wahr, bis Helmut Schmidt am 16. Mai 1974 zum neuen Bundeskanzler gewählt wurde.
Bei der Wahl des deutschen Bundespräsidenten 1974 am 15. Mai 1974 wurde er mit 530 Stimmen von SPD und FDP in der Bundesversammlung in der Beethovenhalle in Bonn gegen Richard von Weizsäcker (CDU, 498 Stimmen) zum vierten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt und trat am 1. Juli 1974 sein neues Amt an. Als Bundespräsident verweigerte er 1976 einem Gesetz zur Abschaffung der Gewissensprüfung bei Kriegsdienstverweigerern seine Unterschrift, da er die Zustimmung des Bundesrates für notwendig erachtete. Für die Wahl des deutschen Bundespräsidenten 1979 stellte er sich angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung nicht erneut zur Verfügung und schied am 30. Juni 1979 aus dem Amt.
Seine Amtszeit als Bundespräsident wird rückblickend ambivalent beurteilt. Man warf ihm vor, dass er keinen großen Entwurf parat gehabt habe, wie er das Amt auszufüllen gedenke. Sein feinerer Lebensstil und eine prachtvollere Ausstattung von Dienstsitz und Zeremoniell unterschieden sich deutlich von dem seiner puristischeren Vorgänger und wurden daher – insbesondere zu Beginn seiner Amtszeit – teilweise kritisiert. Lob bekam Scheel für seine offene und optimistische Art.
Sein Büro unterhielt der ehemalige Bundespräsident bis 2014 im Rathaus seines Wohnortes Bad Krozingen. Das Büro wurde zum 1. August 2014 geschlossen, auch der Leasingvertrag seines Dienstwagens wurde vom Bundespräsidialamt nicht verlängert. Scheels Büroleiter leitete die Geschäfte seither vom Bundespräsidialamt in Berlin aus.
Jahr | Monat | Staaten |
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1975 | 21.–25. April | |
15.–20. Juni | ||
10.–15. November | ||
28. November | ||
1976 | 15.–18. Juni | |
18.–19. Juni | ||
1977 | 5.–6. Juni | |
6.–9. Juni | ||
9.–15. Juni | ||
22.–24. September | ||
1978 | 16.–19. Januar | |
16.–21. April | ||
21.–24. April | ||
16.–18. Oktober | ||
18.–23. Oktober | ||
23.–27. Oktober | ||
27.–28. Oktober | ||
1979 | 19.–23. Februar | |
16. Juni | ||
Von 1967 bis 1974 war Scheel stellvertretender Vorsitzender der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung, 1979 wurde er deren Kuratoriumsvorsitzender; seit 1991 war er Ehrenvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung. Von 1980 bis 1985 war er Vorsitzender der Bilderberg-Konferenz und von 1980 bis 1989 Präsident der Europa-Union. Im Jahre 1978 wurde Scheel Vorsitzender des Kuratoriums der Hermann Kunst-Stiftung zur Förderung der neutestamentlichen Textforschung, das die Arbeit des Instituts für Neutestamentliche Textforschung in Münster fördert. 1979 wurde er Ehrenmitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung; dies nahm Thomas Bernhard zum Anlass, aus dieser auszutreten. Von 1995 bis 2000 war Scheel 1. Kuratoriumsvorsitzender der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung, einer Bundesstiftung des öffentlichen Rechts mit Sitz in Berlin. In Nachfolge von Theodor Heuss und Carlo Schmid war Scheel seit 1980 Ehrenpräsident des Deutschen Künstlerbundes. Von 1980 bis 1985 war Walter Scheel Präsident des Deutschen Rates der Europäischen Bewegung, dessen Ehrenpräsident er bis zu seinem Tod war. Von 2011 bis zu seinem Tode war Walter Scheel Schirmherr des gemeinnützigen Vereins „ProBeethovenhalle e.V.“ in Bonn.
Scheel war Ehrenvorsitzender des Kuratoriums von Plan International und Ehrenpräsident der Deutsch-Britischen Gesellschaft.
Scheel war Schirmherr der Darul-Aman Stiftung, die den Wiederaufbau des Darul-Aman-Palastes als zukünftiges Parlamentsgebäude von Afghanistan fördert. Außerdem unterstütze er in seiner Geburtsstadt Solingen als Schirmherr der Stiftung Botanischer Garten Solingen e. V. den Förderverein des Botanischen Garten Solingen rund 13 Jahre lang bis zu seinem Tod im Jahr 2016 bei Spendenaufrufen oder mit Grußworten zu offiziellen Veranstaltungen.
1971 wurde Scheel der Theodor-Heuss-Preis und das Großkreuz des Verdienstordens der Italienischen Republik verliehen, 1974 folgte der Orden wider den tierischen Ernst. 1977 wurde er mit dem Karlspreis und der Collane des Ordens de Isabel la Católica ausgezeichnet, nachdem er schon 1970 das Großkreuz erhalten hatte. Walter Scheel ist seit 1976 Ehrenbürger seiner Heimatstadt Solingen, seit 1978 von Berlin und Bonn, seit 1979 von Düsseldorf und seit 2006 von Kranichfeld. Im Jahr 2000 erhielt er die Reinhold Maier-Medaille. 1973 erhielt er das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland und mit der Wahl zum Bundespräsidenten als Amtsinsignie die Sonderstufe des Großkreuzes. Scheel war Ehrendoktor der Universitäten Georgetown und Maryland (beide USA), Auckland (Neuseeland), Bristol (Großbritannien) und Heidelberg. Walter Scheel wurde mit über 60 internationalen Orden ausgezeichnet.
Sein Grab auf dem Waldfriedhof Zehlendorf ist als Ehrengrab der Stadt Berlin gewidmet.
Der Nachlass von Walter Scheel liegt u. a. im Archiv des Liberalismus der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Gummersbach.
Scheels letztes Arbeitszimmer im Rathaus von Bad Krozingen wird zukünftig als museale Gedenkstätte der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.
Seit dem 8. Juli 2018 heißt der Solinger Rathausplatz „Walter-Scheel-Platz“.
1969 wurde Scheel als Krawattenmann des Jahres ausgezeichnet.
Sehr bekannt wurde Walter Scheels musikalischer Auftritt mit dem Volkslied Hoch auf dem gelben Wagen, das er zusammen mit zwei Düsseldorfer Männergesangvereinen aufnahm. Dies wurde am 6. Dezember 1973 in der Fernsehshow Drei mal Neun aufgeführt; im Januar 1974 belegte das Lied Platz fünf der deutschen Singlecharts.
1987 moderierte er die Pilotfolge der ZDF-Talkshow live.
2006 sang Scheel mit einem Chor das erwähnte Lied in einer Fernsehshow des Moderators Gunther Emmerlich. Scheel war dort zu Gast, weil ihm von Hans-Dietrich Genscher ein Preis überreicht wurde.
Am 26. Mai 2011 verlieh das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erstmals den Walter-Scheel-Preis für Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit. Der Preis wird seit 2015 gemeinsam von der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, der Walter-Scheel-Stiftung, dem Freundeskreis Walter Scheel e. V. verliehen.
Scheel war der letzte noch lebende Bundesminister der Kabinette von Konrad Adenauer und Ludwig Erhard.
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